11.10.2011 Zivilrecht

OGH: Umfang der Pflichten der Diensteanbieter gem § 18 ECG – Inhalt und Umfang der Bekanntgabepflichten nach Abs 4 (Name und Adresse eines Nutzers)

Die Auskunftsverpflichtung des Providers erstreckt sich im Fall des § 18 Abs 4 ECG nur auf den Namen und die Adresse - worunter auch die E-Mail-Adresse zu verstehen ist - eines Nutzers, mit dem er Vereinbarungen über die Speicherung von Daten abgeschlossen hat; weitergehende Informationen, etwa ein Userprofil oder andere Umstände, die zur Rechtsverletzung führen, können dem Auskunftswerber nicht mitgeteilt werden; der Host Provider wird durch diese Regelung auch nicht verpflichtet, diese Daten zu speichern oder aufzubewahren, er hat auch nur die ihm verfügbaren Daten herauszugeben; für eine Verpflichtung des Diensteanbieters, sich „mit Hilfe der ihm vorliegenden Angaben des Users Kenntnis von dessen Namen und Adresse zu verschaffen“, bietet der Gesetzeswortlaut keine Grundlage


Schlagworte: E-Commerce-Recht, Umfang der Pflichten der Diensteanbieter, Auskunftspflicht, Name und Adresse eines Nutzers, E-Mail-Adresse, Ermittlungspflicht
Gesetze:

§ 18 ECG

GZ 6 Ob 104/11d, 14.09.2011

 

OGH: § 18 ECG hält unter dem Titel „Umfang der Pflichten der Diensteanbieter“ in Abs 4 fest, dass „die in § 16 genannten Diensteanbieter [Host-Provider] … den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes, mit dem sie Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen abgeschlossen haben, auf Verlangen Dritten zu übermitteln [haben], sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Information eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.“

 

Unter Namen und Adresse eines Nutzers iSd § 18 Abs 4 ECG sind grundsätzlich dessen Vor- und Zuname und dessen Postanschrift zu verstehen. Dies ergibt sich einerseits aus der Systematik des § 18 ECG insgesamt und andererseits aus einem Vergleich mit § 5 ECG (sowie hier: mit §§ 4f Abs 2 Z 23 ORF-G). Während nämlich nach § 18 Abs 2 ECG einem Gericht vom Diensteanbieter „alle Informationen zu übermitteln [sind], an Hand deren die Nutzer [seiner] Dienste … ermittelt werden können“, sprechen Abs 3 und 4 nur von „Namen“ und „Adresse“. Auch in § 5 ECG unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Namen bzw Firma des Nutzers (Abs 1 Z 1) und „geografische[r] Anschrift, unter der [der Nutzer] niedergelassen ist“ (Abs 1 Z 2) bzw der „elektronischen Postadresse“ (Abs 1 Z 3). Aber auch die ErläutRV zu § 18 Abs 4 ECG sprechen für diese Ansicht, soll mit dieser Regelung doch in ihren Rechten verletzten Personen „die Rechtsverfolgung erleichtert werden“; für eine (etwa) zivilgerichtliche Rechtsverfolgung benötigt der Verletzte aber Vor- und Zuname sowie Postanschrift des Users (vgl § 74 ZPO).

 

Die ErläutRV halten ausdrücklich fest, dass „die Auskunftsverpflichtung des Providers sich auch im Fall des Abs 4 nur auf den Namen und die Adresse eines Nutzers [erstreckt], mit dem er Vereinbarungen über die Speicherung von Daten abgeschlossen hat. Weitergehende Informationen, etwa ein Userprofil oder andere Umstände, die zur Rechtsverletzung führen, können dem Auskunftswerber nicht mitgeteilt werden. Der Host Provider wird durch diese Regelung auch nicht verpflichtet, diese Daten zu speichern oder aufzubewahren, er hat auch nur die ihm verfügbaren Daten herauszugeben.“

 

Für die vom Kläger und vom Berufungsgericht angenommene Verpflichtung der Beklagten, sich „mit Hilfe der ihr vorliegenden Angaben des Users Kenntnis von [dessen] Namen und Adresse zu verschaffen“, bietet der Gesetzeswortlaut keine Grundlage. Die Beklagte verweist dazu in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend darauf, dass dies einer Ermittlungspflicht gleichkäme, die einer gesetzlichen Verankerung bedürfte. Im Übrigen sprechen die ErläutRV geradezu ausdrücklich gegen diese Ermittlungspflicht; der Host-Provider habe (lediglich) die ihm verfügbaren Daten herauszugeben.

 

Die Beklagte hat dem Erstgericht in ihrer Berufung vorgeworfen, dieses habe für die von ihm angeordnete Verpflichtung zur Herausgabe „alle[r] sonstigen Daten, die die Identifikation der Person mit dem [konkreten] Benutzernamen ermöglichen“, keine rechtliche Grundlage anzugeben vermocht. Dem ist insofern beizupflichten, als die Verpflichtung, „alle Daten“ herauszugeben, gegen die insoweit eindeutige Absicht des Gesetzgebers sprechen würde, den Provider im Rahmen des § 18 Abs 4 ECG nicht zur Preisgabe von über Namen und Adresse hinausgehenden Informationen zwingen zu wollen.

 

Allerdings hat der Kläger in seiner Berufungsbeantwortung darauf verwiesen, dass die Beklagte über die E-Mail-Adresse des betreffenden Users verfügt. Als Name und Adresse eines Nutzers iSd § 18 Abs 4 ECG ist auch dessen E-Mail-Adresse zu verstehen. Einerseits werden von der Rsp auch Internet-Domains als Namen iSd § 43 ABGB gesehen, wenn sie einen Namen enthalten oder namensmäßig anmuten; andererseits handelt es sich bei der E-Mail-Adresse um die „elektronische Postadresse“ nach § 5 Abs 1 Z 3 ECG. Die ErläutRV wiederum wollen lediglich über Namen und Adresse hinausgehende Daten von der Bekanntgabe ausnehmen, sprechen sie doch ausdrücklich etwa vom User-Profil; dieses enthält regelmäßig aber auch sonstige personenbezogene Daten. Und schließlich spricht auch ein Größenschluss für die gefundene Lösung: Wenn § 18 Abs 4 ECG sogar die Bekanntgabe des tatsächlichen Namens und der richtigen Adresse des Users anordnet, muss dies erst recht für seine E-Mail-Adresse gelten, die möglicherweise keine Rückschlüsse auf die Identität des Users zulässt.

 

Damit waren aber die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Beklagten die Bekanntgabe der ihr tatsächlich bekannten E-Mail-Adresse jenes Users aufgetragen wird, der unter der Bezeichnung ***** das inkriminierte Posting verfasste.