27.12.2011 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, inwieweit eine nur als Depotbank fungierende Bank zur Wahrung von Anlegerinteressen zur Aufklärung und Warnung verpflichtet ist

Bei einem reinen Depotgeschäft besteht keine Pflicht zur Aufklärung des Anlegers; die Pflichten der Depotbank sind jedoch anders zu beurteilen, wenn ihre Aufgaben nicht (bloß) auf die Führung des Depots beschränkt sind, sondern sie auch die vom Anlageberater oder Vermittler übermittelten Orders (so zB Kauf- bzw Zeichnungsaufträge) ausführt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Bankhaftung, Depotbank, Anleger, reines Depotgeschäft / zusätzliche Aufgaben, Aufklärungspflichten, Sorgfaltspflichten
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1 BWG, § 11 WAG 1997

GZ 10 Ob 69/11m, 08.11.2011

 

OGH: Beim (reinen) Depotgeschäft übernimmt die Bank die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (§ 1 Abs 1 Z 5 BWG). Es handelt sich um ein aus Verwahrungs- und Auftragsvertrag kombiniertes Geschäft. Hauptpflicht des Verwahrers ist die Obsorge für die anvertraute Sache. Die Depotbank hat die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte (Zinsen, Dividenden) geltend zu machen und jährliche Depotaufstellungen zu übermitteln. Das reine Depotgeschäft ist nach hM mangels Nennung in § 11 Abs 1 WAG keine Dienstleistung, die den Wohlverhaltenspflichten des WAG 1997 unterliegt.

 

Die Pflichten der Depotbank sind jedoch anders zu beurteilen, wenn ihre Aufgaben nicht (bloß) auf die Führung des Depots beschränkt sind, sondern sie auch die vom Anlageberater oder Vermittler übermittelten Orders (so zB Kauf- bzw Zeichnungsaufträge) ausführt. Hat die Depotbank neben der Verwaltung und Verwahrung der Depots etwa auch den Kauf von Wertpapieren übernommen, haftet sie grundsätzlich gem § 11 Abs 1 Z 1 WAG 1997 iVm § 1 Abs 1 Z 7 lit b bis f BWG nach den Wohlverhaltensregeln des WAG 1997. Dessen Regelungen sind im vorliegenden Fall infolge Ankaufs der Wertpapiere vor Inkrafttreten des WAG 2007 am 1. 11. 2007 weiterhin anzuwenden.

 

In der Regel liegt eine „arbeitsteilige“ Vermögensberatung- und verwaltung vor, bei der ein externer Vertriebspartner, der als Anlageberater oder Anlagevermittler eigenständig am Markt agiert, mit einer depotführenden Bank zusammenarbeitet. In diesem Fall obliegt dem Kreditinstitut die Abwicklung eingehender Orders und die Depotführung. Führt eine Depotbank auch Orders aus und steht ein anderes Finanzdienstleistungsunternehmen im direkten Kontakt mit dem Kunden, können Beratungs- und Aufklärungspflichten der orderausführenden Depotbank entfallen. Dies setzt voraus, dass das „kundennähere“ Unternehmen - etwa der Anlagevermittler - verpflichtet ist, eine anleger- und objektgerechte Beratung vorzunehmen. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte oder sogar positives Wissen auf Seiten der Depotbank vorliegt, dass dieses Unternehmen seinen Pflichten nicht nachgekommen ist, ist die Depotbank subsidiär zur Aufklärung und Beratung verpflichtet. Dies entspricht dem Grundsatz, dass Aufklärungspflichten gegenüber einem Geschäftspartner grundsätzlich nur dann bestehen, wenn dieser aufklärungsbedürftig ist. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Partner ohnehin schon hinreichende Kenntnis hat oder sich die Kenntnis leicht beschaffen kann. Bei Existenz eines externen Vermögensverwalters sind Banken nach Auffassung von Kalss/Oppitz/Zollner nur in Sonderkonstellationen (wie etwa bei Vorliegen von Kick-back-Vereinbarungen) auch zur Aufklärung und Warnung des Kunden verpflichtet. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte oder sogar positives Wissen auf Seiten der Depotbank vorliegt, dass das kundennähere Unternehmen seinen Pflichten nicht nachgekommen ist, ist die von den Revisionswerbern angesprochene Mitverantwortlichkeit der Depotbank für die Werterhaltung des Vermögens des Depotkunden gegeben.