29.06.2011 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob bei der Exekution nach § 354 EO die Verhängung einer Beugehaft gegen den Geschäftsführer der verpflichteten GmbH in Betracht kommt

Die Androhung und Vollziehung der Beugehaft gegen den Geschäftsführer der verpflichteten GmbH in einem nur gegen die Gesellschaft geführten Exekutionsverfahren auf Erwirkung unvertretbarer Handlungen begegnet weder verfassungsrechtlichen noch einfachgesetzlichen Bedenken


Schlagworte: Exekutionsrecht, Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen, Haft, Androhung, Geschäftsführer, verpflichtete GmbH, Rekurslegitimation
Gesetze:

§ 354 EO, § 65 EO

GZ 3 Ob 48/11x, 11.05.2011

 

OGH: Zur Erhebung des Rekurses sind im Exekutionsverfahren neben den Parteien auch die Beteiligten legitimiert, soweit ihnen das Rekursrecht ausdrücklich vom Gesetz eingeräumt wird oder die anzufechtende Entscheidung einen unmittelbaren Einfluss auf ihre Rechtsstellung hat.

 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Verhängung der Haft gegen den Geschäftsführer der verpflichteten Partei, einer GmbH, einen unmittelbaren Einfluss auf seine Rechtsstellung hat, wird ihm doch damit zum Zweck der Durchsetzung privater Rechte mit staatlichem Zwang die persönliche Freiheit entzogen.

 

Aber bereits die Androhung der Haft kann von der davon betroffenen Person angefochten werden. Das Exekutionsgericht ist nämlich grundsätzlich an die rechtskräftige Androhung einer bestimmten Beugestrafe gebunden, soweit die Strafe im gesetzlich vorgesehenen Rahmen bleibt.

 

Soweit aus § 361 Satz 1 EO abgeleitet wird, dass die Person, über die die Haft verhängt werden soll, vom Gericht zu hören ist, bezieht sich dies auf die Verhängung der Haft, nicht auf die Androhung.

 

Schon im Hinblick auf die dargestellte Bindungswirkung ist die betreibende Partei beschwert, wenn die von ihr beantragte und vom Erstgericht verfügte Androhung der Haft im Rechtsmittelweg beseitigt wird. Die Entscheidung 3 Ob 19/73, wonach der betreibende Gläubiger nicht beschwert ist, wenn das Rekursgericht eine vom Erstgericht ausgesprochene Androhung der Haft abweist, ist zu § 355 EO ergangen; in diesem Fall ist die Verhängung einer Strafe nicht davon abhängig, dass sie vorher angedroht wurde.

 

Einwendungen gegen den gegen die verpflichtete Partei ergangenen Titel kann jedenfalls nicht deren Geschäftsführer im eigenen Namen erheben, weil er vom Titel nicht unmittelbar betroffen ist.

 

Die Rechnungslegung ist eine unvertretbare Handlung und nach § 354 EO zu erzwingen, ebenso die Duldung einer Einsicht in Urkunden.

 

Während im Zuge einer Unterlassungsexekution nach § 355 EO zu verhängende Strafen willensbeugenden und repressiven Charakter haben, haben gem § 354 EO zu vollziehende Geldstrafen und Haftstrafen nur einen auf die künftige Willensbeugung des Verpflichteten abzielenden Zweck (3 Ob 42/95).

 

Nach stRsp zu § 355 EO sind Geldstrafen gegen eine verpflichtete juristische Person über diese selbst und nicht über deren Organwalter zu verhängen. Diese Rsp wird damit begründet, dass sich die Verhängung von Zwangsstrafen gegen Organwalter, gegen die kein Titel bestehe, angesichts der Bestimmung des § 9 EO nicht rechtfertigen lasse. Obwohl nicht verkannt werde, dass dadurch die Möglichkeiten der Durchsetzung von Exekutionstiteln nach § 355 EO gegenüber einer juristischen Person - wenn die Schaffung von Titeln gegen deren Organe ausscheidet - geringer seien und de facto der Wille der Organwalter gebeugt werden solle, bestehe doch angesichts der in § 359 Abs 1 EO vorgesehenen Höchstgrenze der Geldstrafe von 100.000 EUR je Antrag, die eine sehr effektive Zwangsmaßnahme darstelle, keine Veranlassung, neben der im Exekutionstitel als Schuldner bezeichneten Partei weitere, dort nicht genannte Personen in die Exekution nach § 355 EO einzubeziehen.

 

In der Entscheidung 3 Ob 111/05b ist der OGH auf die bereits dargestellten unterschiedlichen Funktionen der bei einer Exekutionsführung nach § 355 EO einerseits und einer Exekutionsführung nach § 354 EO andererseits zu verhängenden Geldstrafen, eingegangen und hat darauf verwiesen, dass die in der Entscheidung 3 Ob 42/95 - im Rahmen einer Exekution nach § 354 EO - bejahte Möglichkeit einer Haftverhängung gegen den alleinigen Komplementär einer KG nicht auf die Unterlassungsexekution nach § 355 EO übertragbar sei.

 

In der Entscheidung 3 Ob 42/95 ging es im Wesentlichen darum, ob zur Durchsetzung der titelmäßigen Verpflichtung der KG, eine Bilanz vorzulegen, Einsicht in Bücher und Papiere zu gewähren etc, über den alleinigen Komplementär, eine natürliche Person, die Haft verhängt werden kann. Der OGH hat sich eingehend mit der Frage befasst, ob der Haftverhängung bei einer Exekution nach § 354 EO verfassungsgesetzliche oder einfachgesetzliche Hindernisse entgegenstehen.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie in der Lehre gegen den Haftvollzug am Organwalter einer juristischen Person geäußert wurden, wenn sich der Exekutionstitel nicht auch gegen diesen richtet, wurden als nicht auf die Exekution nach § 354 EO übertragbar angesehen.

 

Die Rechtfertigung der Verhängung der Haft über den Organwalter einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft (OG, KG) wird darin gesehen, dass das Beugemittel der Haft am Organwalter, einer natürlichen Person, vollzogen werden soll, weil die verpflichtete Partei selbst nicht in Haft genommen werden kann. Bei Exekution gegen eine Gesellschaft existiert nach außen nur ein Wille, der schließlich durch Haft zu beugen ist, nämlich der des organschaftlichen Vertreters. Der Wille der Gesellschaft wird also (nach außen) durch den Willen ihres organschaftlichen Vertreters repräsentiert. Dieser tritt in seiner Repräsentantenfunktion - also nicht als Dritter - insoweit an die Stelle der Gesellschaft, weil diese nur Geldstrafen zahlen, aber nicht verhaftet werden kann. Es liegt auch allein am Vertreter, namens der Gesellschaft titelgemäß zu leisten und damit die sofortige Beendigung der weiteren Vollstreckung durch Haft herbeizuführen. Gesellschaften dürfen in Bezug auf die Exequierbarkeit eines gegen sie gerichteten, nach § 354 EO zu vollziehenden Titels nicht ohne erkennbare Notwendigkeit einer sachlichen Differenzierung anders als natürliche Personen behandelt werden.

 

Das Argument, gem der die Rechtsnachfolge regelnden Bestimmung des § 9 EO könne Exekution nur gegen den Titelschuldner geführt werden, wird abgelehnt, weil keine Exekution gegen den Organwalter geführt wird, damit er eine fremde Verpflichtung erfüllt, sondern es soll gegen ihn ein Zwangsmittel vollzogen werden, damit die Gesellschaft als verpflichtete Partei durch ein Handeln jener Person, die allein für sie handeln kann, erfüllt (Repräsentationsgedanke). Wird ein nur gegen die Gesellschaft bestehender Titel gem § 354 EO durch die Androhung und Verhängung der Beugehaft gegen den organschaftlichen Vertreter vollstreckt, so handelt es sich dabei also nicht um eine Exekution gegen eine andere als die im Vollstreckungstitel genannte Person.

 

Als nicht notwendig wird die vorherige Verhängung einer Geldstrafe gegen den Organwalter angesehen.

 

Fraglich ist, ob die Haftverhängung dadurch vermieden werden kann, dass für die GmbH ein Notgeschäftsführer bestellt wird, der die geschuldete Handlung vornimmt. Diese Möglichkeit scheidet allerdings unter Bedachtnahme auf die von § 15a GmbHG normierten Voraussetzungen aus, weil weder ein vertretungsbefugter Geschäftsführer fehlt noch ein dringender Fall vorliegt.

 

Zusammengefasst kommt der OGH zum Ergebnis, dass die in der Entscheidung 3 Ob 42/95 aufgestellten Grundsätze zur Verhängung der Beugehaft in gleicher Weise wie für die Personengesellschaft auch für die GmbH gelten. Dagegen spricht auch nicht die Möglichkeit der GmbH-Gesellschafter, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen; gegebenenfalls müsste der Geschäftsführer, wenn er aufgrund einer Weisung nicht dafür Sorge tragen könnte, dass die titelmäßige Verpflichtung erfüllt wird und die Beugehaft vermeiden will, seine Funktion zurücklegen.

 

Die Vorinstanzen haben die verhängten Geldstrafen stufenweise verschärft; die Gesamtsumme der zum Zweck der Willensbeugung verhängten Geldstrafen hat ein beträchtliches Ausmaß erreicht, ohne dass die verpflichtete Partei Ambitionen gezeigt hätte, ihren Verpflichtungen aus dem Exekutionstitel nachzukommen. Angesichts der hartnäckigen Nichterfüllung der titelmäßigen Verpflichtung ist es daher nun gerechtfertigt, bereits vor dem Erreichen der höchstmöglichen Strafe von 100.000 EUR (§ 359 Abs 1 EO) dem Geschäftsführer der verpflichteten Partei die Haft anzudrohen.