17.03.2020 Zivilrecht

OGH: § 364 ABGB – zur nachbarschaftsrechtlichen Passivlegitimation

Schon durch das (bloße) Gebrauchsrecht am Gebäude wird den Kindern als Liegenschaftseigentümern nicht die Möglichkeit genommen, gegenüber ihrem Vater dessen von ihrer Liegenschaft (im Gartenbereich) ausgehende rechtswidrige Eingriffe in das Eigentumsrecht der klagenden Nachbarn zu unterbinden; auch die Minderjährigkeit der Kinder spricht nicht gegen den auf § 364 ABGB gestützten Unterlassungsanspruch, zumal dieser kein Handlungsverbot, sondern ein „Erfolgsverbot“ zur Folge hat


Schlagworte: Nachbarrecht, Immissionen, Passivlegitimation, Minderjährigkeit
Gesetze:

 

§ 364 ABGB

 

GZ 4 Ob 217/19v, 19.12.2019

 

OGH: Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB kann sich auch gegen einen Liegenschaftseigentümer richten, der den Eingriff nur mittelbar veranlasst hat. Die Störereigenschaft wird dabei nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Dritter als unmittelbarer Störer aus eigenem Antrieb und selbstverantwortlich gehandelt hat. Verursachte ein anderer den Eingriff, so wird die Haftung des Eigentümers dann als gerechtfertigt erachtet, wenn er die Einwirkung duldet, obwohl er sie zu hindern berechtigt und dazu auch imstande gewesen wäre. Maßgeblich für die Bejahung der verschuldensunabhängigen Unterlassungspflicht des beklagten Eigentümers für einen im Nachbarrecht wurzelnden Anspruch ist lediglich ein Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Störung. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers hängt also davon ab, ob dieser imstande und berechtigt ist, den Eingriff abzustellen. Dabei genügt es, dass der Eigentümer zu jener Person, die die störende Benützung seines Eigentums vornimmt, in einem Rechtsverhältnis bezüglich der Benützung steht.

 

Die Anwendung der referierten Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall stützt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auch gegenüber den Kindern. Schon durch das (bloße) Gebrauchsrecht am Gebäude wird den Kindern als Liegenschaftseigentümern nicht die Möglichkeit genommen, gegenüber ihrem Vater dessen von ihrer Liegenschaft (im Gartenbereich) ausgehende rechtswidrige Eingriffe in das Eigentumsrecht der klagenden Nachbarn zu unterbinden.

 

Auch die Minderjährigkeit der Kinder spricht nicht gegen den auf § 364 ABGB gestützten Unterlassungsanspruch, zumal dieser kein Handlungsverbot, sondern ein „Erfolgsverbot“ zur Folge hat. Es genügt bereits objektive Rechtswidrigkeit, es kommt daher weder auf ein Verschulden noch auf eine Störungsabsicht an. Der nachbarschaftrechtliche Unterlassungsanspruch setzt keine Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit (§ 24 ABGB) des Liegenschaftseigentümers voraus. Im Wege der gesetzlichen Vertretung (durch ihre Mutter, allenfalls einen Kollisionskurator) ist es den Kindern sehr wohl möglich, die rechtswidrigen Eingriffe des Vaters zu unterbinden.

 

Der Hinweis des Berufungsgerichts, dass es den Kindern nicht zumutbar sei, gegen den eigenen Vater vorzugehen, zumal sich dieser „von seinen Kindern keine Vorgaben machen lässt“, verfängt nicht. Ein bestehendes Angehörigenverhältnis zwischen dem unmittelbaren und mittelbaren Störer kann die nachbarschaftsrechtlichen Ansprüche von Liegenschaftseigentümern nicht konterkarieren. Ein Eigentümer ist bei Eingriffen in die Rechte eines Nachbarn durch den Nutzungsberechtigten verpflichtet, für eine vertragsgemäße Ausübung des eingeräumten Nutzungsrechts notfalls im Klagsweg zu sorgen, sodass es in letzter Konsequenz auf die zwangsweise Durchsetzung, nicht aber darauf ankommt, ob sich der Vater von seinen Kindern Vorgaben machen lässt.

 

Dass der Vater die Aufschüttungen ohne Kenntnis der Kinder vorgenommen hat, kann eine Klagsabweisung nicht stützen, weil die (von ihrer Mutter vertretenen) Kinder spätestens mit der Klagszustellung Kenntnis von den Eingriffen erlangt haben, jedoch auch weiter nicht bereit waren, auf den Vater einzuwirken.