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24.01.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Mitverschulden an der Entlassung iSd § 32 AngG

Jeden Arbeitnehmer, der einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Arbeitgeber trotz bestehender Möglichkeit nicht (rechtzeitig) bekannt gibt, trifft grundsätzlich ein Mitverschulden an seiner Entlassung iSd § 32 AngG, wenn ihn der Arbeitgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes aller Voraussicht nach nicht entlassen hätte


Schlagworte: Angestelltenrecht, (ungerechtfertigte) Entlassung, Schadenersatz, Kündigungsentschädigung, Rechtfertigung, Mitverschulden
Gesetze:

§ 32 AngG

GZ 9 ObA 26/11f [1], 25.11.2011

 

OGH: Der OGH nimmt das Vorliegen eines Anwendungsfalls des § 32 AngG ua bei Fällen an, in denen ein Arbeitnehmer bei Unterlassung der Dienstleistung deshalb unbegründet entlassen wird, weil er dem Arbeitgeber einen vorhandenen Hinderungsgrund nicht mitgeteilt hat, obwohl ihm dies leicht möglich war und der Arbeitgeber in Kenntnis des Grundes aller Voraussicht nach die Entlassung nicht ausgesprochen hätte. Vom Vorliegen eines derartigen Falls gingen die Vorinstanzen unter Zugrundelegung der einschlägigen Rsp und im Rahmen des von § 32 AngG eingeräumten Ermessensspielraums aus. Ausschlaggebend dafür war va der Umstand, dass der Beklagten nach den vom Kläger übermittelten Krankenstandsbestätigungen unklar war, ob der Kläger ab der ersten Krankmeldung vom 8. 5. 2009 tatsächlich durchgehend im Krankenstand war. Nachdem der Kläger nach einer Reihe erfolgloser Versuche der Beklagten, ihn telefonisch oder persönlich zwecks Aufklärung des unklaren Sachverhalts zu erreichen, auf ein eingeschriebenes Schreiben der Beklagten vom 22. 6. 2009 zunächst nicht reagierte, sprach die Beklagte am 25. 6. 2009 die Entlassung des Klägers aus.

 

Entgegen der Annahme des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht dem Kläger nicht entgegen § 8 Abs 8 AngG die „weitere Pflicht“ im Krankenstand auferlegt, auf Kontaktaufnahmen des Arbeitgebers zu reagieren. Ausgangspunkt war nicht der übertriebene Drang des Arbeitgebers nach Kontaktaufnahme mit seinem Arbeitnehmer im Krankenstand, ausschlaggebend waren vielmehr Unklarheiten bezüglich des Fernbleibens des Arbeitnehmers vom Dienst. Ob sich der Arbeitnehmer diesbezüglich gegenüber dem Arbeitgeber ausreichend rechtfertigt, ist grundsätzlich seine Sache. Insoweit handelt es sich bei der Rechtfertigung des Arbeitnehmers um eine bloße Obliegenheit zur Wahrung seiner eigenen Interessen. Wie aber bereits ausgeführt, trifft jeden Arbeitnehmer, der einen ihm bekannten Rechtfertigungsgrund für ein an sich pflichtwidriges Verhalten dem Arbeitgeber trotz bestehender Möglichkeit nicht (rechtzeitig) bekannt gibt, grundsätzlich ein Mitverschulden an seiner Entlassung iSd § 32 AngG, wenn ihn der Arbeitgeber bei Kenntnis des Rechtfertigungsgrundes aller Voraussicht nach nicht entlassen hätte.

 

Die Ausführungen des Revisionswerbers zur wechselseitigen Einschätzung damaliger Informationen von Seiten der Hausärztin des Klägers und der zuständigen Gebietskrankenkasse und rückwirkender Korrekturen der Krankschreibungen stellen die Vertretbarkeit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts nicht in Frage, sondern unterstreichen nur den Einzelfallcharakter der Mitverschuldensproblematik nach § 32 AngG.