OGH > Wirtschaftsrecht
07.02.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Streitschlichtung gem § 8 VerG – zur Frage der Wirkung der Abänderung von Vereinsstatuten (Befristung eines Einspruchs gegen den Vereinsausschluss an die Schiedsinstanz) während eines laufenden Ausschlussverfahrens

Eine - ordnungsgemäß zustande gekommene - Änderung der Geschäftsordnung durch den Vorstand des Vereins tritt sogleich in Kraft, sofern sie den betroffenen Mitgliedern zur Kenntnis gebracht wird; ist die Einspruchbefristung mangels „Kennen müssen“ der Befristung bzw mangels fahrlässiger Unkenntnis der Vereinsmitglieder von dieser Frist daher diesen gegenüber unwirksam, hat der Verein das von den Mitgliedern beantragte interne Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen


Schlagworte: Vereinsrecht, Streitschlichtung, Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis, Schlichtungseinrichtung, Änderung der Geschäftsordnung, Kenntnis, Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzugs, Unzulässigkeit des Rechtswegs
Gesetze:

§ 8 VerG, § 42 JN

GZ 7 Ob 89/11f [1], 28.09.2011

 

OGH: Nach § 8 Abs 1 VerG haben die Statuten eines Vereins die Einrichtung einer (zwingenden) Schlichtungseinrichtung zu enthalten. Diese kann permanent für alle während einer bestimmten Funktionsperiode anfallenden Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis oder aber auch im Anlassfall bestellt werden, wobei die Statuten im letzteren Fall genau Auskunft über die Bestellung zu geben haben. Zweck dieser Norm ist die außergerichtliche vereinsinterne Beilegung von Vereinsstreitigkeiten vor Anrufung der ordentlichen Gerichte. Kommt es zu keiner Beendigung des Schlichtungsverfahrens innerhalb einer Frist von sechs Monaten, so kann das ordentliche Gericht angerufen werden, wodurch eine unerwünschte Verzögerung des effektiven Rechtsschutzes vermieden werden soll. Die subjektiven, aus dem Vereinsverhältnis entspringenden Rechte des einzelnen Vereinsmitglieds können im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden, so zB die Feststellung der Mitgliedschaft bei einem Verein und die Bestreitung der Zugehörigkeit sowie die Unwirksamkeit der Ausschließung aus dem Verein. Wie der OGH bereits wiederholt zu § 4 Abs 2 lit g Vereinsgesetz 1951 und auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten des VerG ausgesprochen hat, ist Voraussetzung der Anrufung der ordentlichen Gerichte aber die Ausschöpfung des in den Vereinssatzungen vorgesehenen Instanzenzugs.

 

§ 8 Abs 1 VerG  entsprechend sieht § 14 der Satzungen des beklagten Vereins ein vereinsinternes Schiedsgericht vor, das sich aus drei ordentlichen Vereinsmitgliedern zusammensetzt und zur Schlichtung aller aus dem Vereinsverhältnis entstehenden Streitigkeiten berufen ist. Eine Schlichtungseinrichtung gem § 8 VerG ist kein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO, kann aber als solches eingerichtet sein. Darauf, dass dies im vorliegenden Fall zuträfe, deutet allerdings nichts hin und wurde von keiner der Parteien behauptet.

 

Nach nunmehr hA steht einer Klage, die in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG vor Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzugs oder vor dem Verstreichen von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht wird (außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung), das gem § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen. Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall die Unzulässigkeit des Rechtswegs angenommen, weil die Kläger das vereinsinterne Schiedsgericht zur Bekämpfung ihres Ausschlusses nach dem geänderten Punkt 3. lit k) der Geschäftsordnung des Beklagten verspätet angerufen hätten und so der vereinsinterne Instanzenzug nicht ausgeschöpft worden sei. Diese Rechtsmeinung ist verfehlt:

 

Das Berufungsgericht geht grundsätzlich zutreffend davon aus, dass eine - ordnungsgemäß zustande gekommene - Änderung der Geschäftsordnung durch den Vorstand des Vereins sogleich in Kraft tritt, sofern sie den betroffenen Mitgliedern zur Kenntnis gebracht wird. Richtig hat also das Berufungsgericht angenommen, es komme darauf an, dass die hier maßgebliche Änderung der Geschäftsordnung den Klägern zur Kenntnis gelangt ist. Nicht beigepflichtet werden kann allerdings der weiteren Ansicht des Berufungsgerichts, die Kläger hätten die vom Vorstand beschlossene Befristung eines Einspruchs gegen den Vereinsausschluss an die Schiedsinstanz kennen können oder sogar kennen müssen. Es steht fest, dass die betreffende, erst am 8. 8. 2008 beschlossene Änderung der Geschäftsordnung den Klägern nicht mitgeteilt wurde. Die ihrem Rechtsfreund anlässlich der Generalversammlung am 27. 9. 2008 eingeräumte Möglichkeit, in die (geänderte) Geschäftsordnung Einsicht zu nehmen, bezog sich allein auf den Umstand, dass dem Anwalt zuvor die Teilnahme an der Generalversammlung unter Hinweis auf Punkt 4. lit e) der Geschäftsordnung verweigert wurde. Nach den festgestellten Umständen gab es daher für den Klagevertreter keinen Anlass, nicht nur diese (ihm gezeigte) Bestimmung der Geschäftsordnung einzusehen, sondern anzunehmen oder auch nur zu vermuten, dass (weitere) Änderungen der Geschäftsordnung vorgenommen worden seien. Was den Klagevertreter veranlassen und berechtigen hätte sollen, die gesamte Geschäftsordnung und insbesondere deren Punkt 3. lit k) durchzusehen und dadurch in Kenntnis zu gelangen, dass die bisher unbefristet mögliche Erhebung eines Einspruchs gegen einen Vereinsausschluss beim vereinsinternen Schiedsgericht nun an die Einhaltung einer 14-tägigen Frist gebunden war, ist nicht zu erkennen. Von einem „Kennen müssen“ der Befristung und einer fahrlässigen Unkenntnis der Kläger von dieser Frist kann daher keine Rede sein. War demnach die Einspruchsbefristung den Klägern gegenüber unwirksam, hat sich der beklagte Verein zu Unrecht geweigert, das von den Klägern beantragte interne Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen.

 

Der Klagezurückweisungsgrund der Unzulässigkeit des Rechtswegs wegen mangelnder Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzugs durch die Kläger liegt daher nicht vor. Auch die sechsmonatige Frist des § 8 Abs 1 VerG wurde gewahrt. Der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts ist daher aufzuheben.