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21.02.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob eine Ehestörerin, die bei Aufnahme der ehewidrigen Beziehung keine Kenntnis von der Ehe gehabt hat, für Detektivkosten haftet, wenn sie bei späterer Kenntnisnahme der Ehe infolge der Versicherung ihres Sexualpartners, die Ehe sei zerrüttet und er werde sich scheiden lassen, und eines bereits angesetzten konkreten Scheidungstermins die Beziehung mit dem Ultimatum fortsetzt, sie zu beenden, wenn der Scheidungstermin nicht stattfindet

LuRsp verneinen mit dem Hinweis auf Rechtsmissbrauch eine Haftung des ehestörenden Dritten für die Kosten der vom hintergangenen Ehegatten veranlassten Erhebungen, soweit die Ehegatten einander zu verstehen gegeben haben, jedes Interesse daran verloren zu haben, wie der andere sein privates Leben gestaltet; in diesem Sinn konnte auch die Beklagte, die keine - den höchstpersönlichen Bereich der Ehegatten betreffende - Nachforschungspflicht in Bezug auf die Richtigkeit der Zusicherungen ihres Sexualpartners traf, schon allein mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auf deren Richtigkeit vertrauen, bis sie schließlich durch das Fallenlassen des Scheidungstermins deren Unrichtigkeit erfuhr; erst darauf musste sie in Form der Beendigung der Beziehung reagieren


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Familienrecht, Ehestörer, Detektivkosten, Scheidungstermin, Erkundungspflicht
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 90 ABGB

GZ 3 Ob 232/11f [1], 18.01.2012

 

OGH: Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage eines (Mit-)Verschuldens einer Ehestörerin an der (weiteren) Zerrüttung einer Ehe, sondern um den Ersatz von Kosten einer Observation des Ehemannes, die dessen sexuelle Beziehung zu einer Ehestörerin offen gelegt hat. Dazu ist vorweg anzumerken, dass die Beauftragung mit der Observation zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Beklagte noch nicht wusste, dass ihr Sexualpartner verheiratet ist. Die diesbezügliche Unklarheit über den genauen Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Ehe wirkt sich nach den Beweislastregeln so aus, dass eine Kenntnisnahme erst nach der Beauftragung des Detektivs erfolgte.

 

Bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation kann eine Haftung der Beklagten für die von der Klägerin aufgewendeten Detektivkosten nur darin begründet sein, dass sie die sexuelle Beziehung zum Ehemann der Klägerin aufgrund dessen Zusicherungen in Richtung Ehezerrüttung und Ehescheidung vorerst weiterführte, nachdem sie von dessen aufrechter Ehe erfahren hatte.

 

Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen (§ 92 Abs 3, § 97 ABGB) können die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten untereinander (§ 90 ABGB) während aufrechter Ehe nicht eingeklagt werden. Dies gilt aber nicht für vermögensrechtliche Ansprüche oder für Ansprüche aus der Verletzung absoluter Rechte. In der Entscheidung 3 Ob 505/96, in der es um die schadenersatzrechtlichen Folgen der Verletzung der mütterlichen (Mit-)Obsorge für das gemeinsame Kind durch den Vater ging, sprach der OGH aus, dass als Grundlage für den Ersatz des begehrten reinen Vermögensschadens nur die Verletzung eines absoluten Rechts in Betracht kommt. Im Schrifttum wurde gefolgert, dass der OGH dem Treuegebot des § 90 Abs 1 ABGB auch eine wirtschaftliche Komponente zumisst; der Schutzzweck des § 90 ABGB erfasst demnach bei begründetem Verdacht des Ehebruchs auch den Anspruch auf Ersatz von Detektivkosten gegenüber dem Ehegatten. Welser hat diesen Ersatzanspruch dem „Abwicklungsinteresse“ - im Gegensatz zum „Bestandinteresse“ - zugeordnet. Dieser Unterscheidung ist der OGH (auch) in der Entscheidung 6 Ob 124/02g gefolgt; in diesem Fall machte die Klägerin allerdings weder den einen noch den anderen Anspruch geltend, sondern begehrte von ihrem untreuen Ehemann Schmerzengeld für eine (deliktisch) zugefügte Körperverletzung. Obiter wird aber ausgeführt, dass den sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Rechten „absoluter Schutz“ zukommt, dies unter Berufung auf RIS-Justiz RS0108842 und Koziol, Haftpflichtrecht I³ 8/48. Nicht uninteressant ist, dass sich die beiden zuvor in der Rechtssatzkette RIS-Justiz RS0108842 enthaltenen Entscheidungen, in denen auf einen solchen „absoluten Schutz“ Bezug genommen wurde, auf Fälle bezogen, in denen der jeweilige Rechtsstreit zwischen den Ehegatten geführt wurde (3 Ob 505/96; 1 Ob 146/98x), wohingegen in den beiden anderen Fällen (4 Ob 166/02v und 7 Ob 195/02f), in denen jeweils ein Ehegatte den Ehestörer auf Ersatz von Detektivkosten in Anspruch nahm, ein solcher „absoluter Schutz“ nicht angesprochen wurde.

 

Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten haben grundsätzlich keine Außenwirkung. Ausnahmsweise leitet die Rsp allerdings aus ehestörendem Verhalten doch Abwehr- oder Schadenersatzansprüche gegen Dritte ab. So haftet derjenige, der mit einem Ehegatten eine ehebrecherische Beziehung unterhält, nach stRsp solidarisch mit diesem für die zur Nachforschung aufgewendeten angemessenen Detektivkosten. An dieser Rsp hat der OGH auch nach Abschaffung der Strafbarkeit des Ehebruchs und der Änderung des § 49 EheG durch das EheRÄG 1999 festgehalten.

 

Abgeleitet wird die zu einem Schadenersatzanspruch führende Rechtswidrigkeit des Verhaltens der dritten Person aus einer Verletzung des absolut geschützten „Rechtsguts der Ehe“, das - zwar nur ausnahmsweise - auch gegenüber Eingriffen Dritten durch Gewährung von Schadenersatzansprüchen gegen den Störer geschützt ist.

 

In der Entscheidung 4 Ob 166/02v wurde die Frage der Rechtswidrigkeit nicht näher erörtert (das Berufungsgericht hatte den Zuspruch von Detektivkosten damit begründet, dass die Ehe gegen rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe Dritter geschützt sei), aber das Verschulden thematisiert: Ein solches sei dem dritten Ehestörer regelmäßig schon dann vorzuwerfen, wenn er eine ehewidrige Beziehung zu einer Person eingeht, von der er weiß, dass sie verheiratet ist.

 

In der Entscheidung 4 Ob 52/06k, in der das Fehlen einer „erotischen Grundlage“ prägend war, wird die Vorwerfbarkeit des Verhaltens der „Ehestörerin“ darin gesehen, dass ihr bekannt war, dass der „gestörten“ Ehegattin die in nächtliche Erörterungen der Eheprobleme mündende „freundschaftliche“ Beziehung nicht recht war und sie trotz einer bestehenden Vertrauenslage nicht über diese Entwicklung aufklärte.

 

Zuletzt hat der OGH in der Entscheidung 2 Ob 111/10b bestätigt, dass ein Anspruch auf Ersatz der Detektivkosten gegen den dritten Ehestörer nur bei seiner Kenntnis von der Ehe seines Sexualpartners zu bejahen ist; aus der Begründung kann erschlossen werden, dass andernfalls die Rechtswidrigkeit fehlt (ihrer Entscheidungsanmerkung legt P. Haas zugrunde, dass der OGH in diesem Fall das Verschulden entfallen lassen will). Im Sinne dieser Entscheidung ist davon auszugehen, dass - im Interesse der allgemeinen Handlungsfreiheit - eine Erkundigungs- oder gar Nachforschungspflicht des dritten Ehestörers jedenfalls dann zu verneinen ist, wenn es keine deutlichen Indizien für den Umstand gibt, dass der Sexualpartner verheiratet ist, liegt es doch in erster Linie im Verantwortungsbereich des ehebrecherischen Ehegatten zu beurteilen, wie er sich in seiner ehelichen Beziehung zu verhalten hat und was er seinem Ehepartner zumuten kann und will.

 

Worin die Grundlage für die Rechtswidrigkeit des für den Ersatz der Detektivkosten in Anspruch genommenen Ehestörers liegt, kann im vorliegenden Fall allerdings dahingestellt bleiben, weil die Beklagte nicht gegen den von § 1297 ABGB geforderten objektiven Sorgfaltsmaßstab verstoßen hat, weshalb die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens zu verneinen ist.

 

§ 1297 stellt als Vergleichsmaßstab auf das Verhalten eines wertverbundenen Durchschnittsmenschen ab; die Verletzung dieses objektiven Sorgfaltsmaßstabes begründet die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der auf Schadenersatz in Anspruch genommenen Person.

 

Entscheidend ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine wertverbundene Maßstabsfigur in der Situation der Beklagten die sexuelle Beziehung zum Ehemann der Klägerin beenden musste. Die Forderung nach einer „Unterbrechung“ mit der Option der Wiederaufnahme des Verhältnisses wäre im Hinblick auf die typische Gefühlsbetontheit einer solchen Beziehung und den Umstand, dass die Beklagte schon mit dem Ehemann der Klägerin in einem eheähnlichen Verhältnis lebte, eine in diesem Sinne überspannte Forderung.

 

In Betracht kommen drei Zeitpunkte, nämlich das Bekanntwerden der Ehe, der Zeitpunkt der Zusicherung über Ehezerrüttung und bevorstehende Ehescheidung und letztlich der Zeitpunkt der Nichtwahrnehmung des Scheidungstermins.

 

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte erst im Laufe des sexuellen Verhältnisses zum Ehemann der Klägerin von dessen Ehe erfuhr, worauf dieser ihr zusicherte, dass seine Ehe zerrüttet sei und demnächst geschieden werde. Die Scheidungsabsicht entsprach damals auch den Tatsachen. Nur unter dieser Voraussetzung war sie zur Fortsetzung der Beziehung bereit, stellte ihrem Sexualpartner aber - in Bezug auf die Durchführung der Ehescheidung - ein Ultimatum, das sie letztlich auch „durchzog“.

 

Unter diesen besonderen Umständen (in Kürze stattfindender Scheidungstermin, enges lebensgemeinschaftsähnliches Verhältnis) ist auch von einer Maßstabsfigur nicht zu fordern, dass sie die ihr bekannt gewordene aufrechte Ehe in dem Sinn achtet, dass sie ganz unabhängig von diesen Umständen die bestehende sexuelle Beziehung zu der verheirateten Person sofort abbricht.

 

LuRsp verneinen mit dem Hinweis auf Rechtsmissbrauch eine Haftung des ehestörenden Dritten für die Kosten der vom hintergangenen Ehegatten veranlassten Erhebungen, soweit die Ehegatten einander zu verstehen gegeben haben, jedes Interesse daran verloren zu haben, wie der andere sein privates Leben gestaltet. In diesem Sinn konnte auch die Beklagte, die keine - den höchstpersönlichen Bereich der Ehegatten betreffende - Nachforschungspflicht in Bezug auf die Richtigkeit der Zusicherungen ihres Sexualpartners traf, schon allein mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auf deren Richtigkeit vertrauen, bis sie schließlich durch das Fallenlassen des Scheidungstermins deren Unrichtigkeit erfuhr. Erst darauf musste sie in Form der Beendigung der Beziehung reagieren, was sie auch getan hat.

 

Somit ist ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten der Beklagten zu verneinen, weshalb die Vorinstanzen den von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu Recht verneint haben.