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28.02.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Bekämpfung der amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit gem § 40 FBG bei in 1. Instanz erfolglos gebliebener Aufforderung gem § 18 FBG?

Im Fall einer Nichtäußerung trotz Aufforderung nach § 18 FBG kann im Rekurs nicht die (allenfalls sogar schuldlos) versäumte Äußerung nachgeholt, wohl aber eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts geltend gemacht werden


Schlagworte: Firmenbuchrecht, Verständigung, Nichtäußerung trotz Aufforderung, amtswegige Löschung wegen Vermögenslosigkeit, Rekurs, Neuerungen
Gesetze:

§ 18 FBG, § 17 AußStrG, § 40 FBG, § 49 AußStrG

GZ 6 Ob 224/11a [1], 21.12.2011

 

Das Firmenbuchgericht hat den Geschäftsführer der Gesellschaft zunächst mit Beschluss vom 7. 8. 2010 aufgefordert, die fehlenden Jahresabschlüsse der Jahre 2005 bis 2008 binnen drei Wochen bei Gericht einzureichen. Mit Beschluss vom 15. 10. 2010 forderte das Firmenbuchgericht den Geschäftsführer der Gesellschaft auf, diese Jahresabschlüsse binnen vier Wochen vorzulegen; es drohte unter Hinweis auf § 40 Abs 1 FBG die amtswegige Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit an, sollte dieser Aufforderung binnen der gesetzten Frist nicht nachgekommen werden. Diese erfolglos gebliebenen Aufforderungen stellte das Firmenbuchgericht jeweils der Gesellschaft zu.

 

OGH: Die Aufforderung nach § 18 FBG entspricht jener nach dem nahezu (Unterschiede bestehen nur in der Frage der Verpflichtung des Gerichts zur Aufforderung zur Äußerung) inhaltsgleichen § 17 AußStrG. Der zu dieser Bestimmung ergangenen Rsp des OGH ist daher auch zu § 18 FBG zu folgen; dies gilt insbesondere auch für die „Rechtsfolgenseite“.

 

Nach der zu § 17 AußStrG bereits bestehenden Rsp des OGH kann eine im Verfahren erster Instanz versäumte Äußerung selbst bei behaupteter entschuldbarer Fehlleistung nicht im Rekurs nachgeholt werden; allenfalls käme nur ein - hier nicht vorliegender - Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 21 AußStrG iVm §§ 146 ff ZPO in Betracht. Es gehe nach den ErläutRV - wie schon bisher in den Fällen des § 185 Abs 3 AußStrG 1854 - weiterhin nicht an, dass eine Partei, nachdem sie sich im Verfahren erster Instanz nicht geäußert hatte, ohne dass dies wegen eines Wiedereinsetzungsgrundes restituiert wurde, nunmehr ihr Vorbringen im Rekurs nachtragen könnte. In der Entscheidung 3 Ob 43/07f lehnte der OGH die gegenteilige Auffassung Rechbergers und Klickas, Neuerungen seien unter den Voraussetzungen des § 49 Abs 2 AußStrG auch bei vorangegangener Nichtäußerung zulässig, ab.

 

Auch im Fall einer Nichtäußerung trotz Aufforderung nach § 18 FBG kann im Rekurs nicht die (allenfalls sogar schuldlos) versäumte Äußerung nachgeholt, wohl aber eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts geltend gemacht werden. G. Kodek/G. Nowotny bejahen für diesen Fall der Nichtäußerung die Anwendbarkeit des § 49 Abs 2 AußStrG. Es wäre jedoch unbillig, dass bei inhaltsgleichen Normen (etwa) ein unvertretener Unterhaltsschuldner bei Nichtäußerung trotz Aufforderung nach § 17 AußStrG strenger behandelt werden sollte als eine zwar auch unvertretene, jedoch „im Wirtschaftsleben erfahrene Person“ bei Nichtäußerung trotz Aufforderung nach § 18 FBG. Auch eine unterschiedliche Behandlung einer Aufforderung nach § 18 FBG in einem Amtslöschungsverfahren und einer solchen in einem sonstigen Firmenbuchverfahren ist nicht gerechtfertigt. Das von Burgstaller/Pilgerstorfer gebrauchte Argument, im Amtslöschungsverfahren enthebe die Nichtäußerung des Betroffenen das Gericht im Allgemeinen nicht von der Verpflichtung zur amtswegigen Überprüfung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, gilt jedenfalls nicht für ein Verfahren nach § 40 Abs 1 Satz 3 FBG, in dem keine amtswegigen Erhebungen über das Vermögen zu erfolgen haben.

 

Damit hat das Rekursgericht zutreffend jegliches Vorbringen der Gesellschaft in ihrem Rekurs zu einem angeblich vorhandenen Vermögen unbeachtet gelassen; die Gesellschaft hatte dort (erstmals) versucht darzulegen, dass sie tatsächlich nicht vermögenslos sei.

 

Im Übrigen wäre für die Gesellschaft auch bei Anwendung des § 49 Abs 2 AußStrG nichts gewonnen: Sie hätte nämlich in diesem Fall in ihrem Rekurs die Zulässigkeit der Neuerungen zu behaupten und schlüssig darzulegen gehabt, dass es sich bei der Unterlassung einer Äußerung im Verfahren erster Instanz um eine entschuldbare Fehlleistung handelte; mit dieser Frage setzte sich die Gesellschaft aber weder im Rekurs noch im außerordentlichen Revisionsrekurs auseinander.

 

§ 49 Abs 3 AußStrG lässt im Rekursverfahren die Bedachtnahme auf nova producta zu, wenn diese nicht ohne wesentlichen Nachteil zum Gegenstand eines neuen Antrags gemacht werden können. Letztere Voraussetzung wäre zwar im Fall einer Amtslöschung nach § 40 Abs 1 Satz 3 FBG gegeben, kann doch die Gesellschaft keinen ihre Auflösung beseitigenden Fortsetzungsbeschluss fassen und damit die Wiedereintragung im Firmenbuch erreichen (zur Nachtragsliquidation, die hier jedoch nicht verfahrensgegenständlich ist, vgl § 40 Abs 4 FBG). Allerdings würde eine Anwendung des § 49 Abs 3 AußStrG im Amtslöschungsverfahren dessen Zweck dann geradezu ad absurdum führen, wenn sich die Gesellschaft darauf beruft, sie habe nach Beschlussfassung erster Instanz gem § 40 Abs 1 Satz 3 FBG die fehlenden Jahresabschlüsse nachgereicht, aus denen nunmehr Vermögen ersichtlich sei. Dass die Gesellschaft im vorliegenden Fall zwischenzeitig alle Jahresabschlüsse nachgereicht haben mag, ist somit iZm der erfolgten amtswegigen Löschung unbeachtlich.

 

Eine negative Stellungnahme der nach § 40 Abs 2 FBG zur Äußerung aufgeforderten „Steuerbehörde“ löst allenfalls eine Pflicht des Gerichts zur amtswegigen Prüfung der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft aus, wenn konkrete Umstände dargetan werden, die die Vermutung der Vermögenslosigkeit nach § 40 Abs 1 Satz 3 FBG widerlegen könnten; eine Sperrfunktion kommt den in § 40 Abs 2 FBG genannten Institutionen hingegen nicht zu. Derartige konkrete Umstände machte das Finanzamt im vorliegenden Verfahren nicht geltend; vielmehr wird lediglich auf anhängige Abgabenverfahren verwiesen, ohne dass konkret dargetan worden wäre, die Gesellschaft hätte Vermögen, etwa weil sie (Steuer-)Rückzahlungen zu erwarten hätte. Der Entscheidung OLG Graz NZ 2008, G 57 lag hingegen eine Äußerung der Wirtschaftskammer zugrunde, dass die Gesellschaft nach wie vor Geschäftstätigkeit entfalte; in einem solchen Fall muss das Firmenbuchgericht amtswegige Nachforschungen zur Frage der Vermögenslosigkeit durchführen.