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06.03.2012 Zivilrecht

OGH: Weitergabe von Transkripten unerlaubt angefertigter Tonbandaufnahmen?

§ 77 UrhG ist analog auf Transkripte von heimlich angefertigten Tonaufzeichnungen vertraulicher Gespräche anzuwenden; dabei indiziert schon die Rechtswidrigkeit der Tonaufnahme die Verletzung berechtigter Interessen der Betroffenen; der Verletzer muss daher konkret behaupten und beweisen, dass höherrangigen Interessen ihn dennoch berechtigten, die Transkripte oder Teile davon Dritten zugänglich zu machen


Schlagworte: Persönlichkeitsrechte, Urheberrecht, Weitergabe von Transkripten unerlaubt angefertigter Tonbandaufnahmen, Briefschutz, Behauptungs- und Beweislast, Interessenabwägung
Gesetze:

§ 16 ABGB, § 77 UrhG, § 120 StGB

GZ 4 Ob 160/11z [1], 20.12.2011

 

OGH: Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass der Unterlassungsanspruch nicht auf das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens iSv § 120 Abs 2 StGB gestützt werden kann. Danach ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer

„ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht.“

 

Diese Bestimmung erfasst nach hA nur das Zugänglichmachen oder Veröffentlichen der Tonaufnahme als solcher, nicht auch eines Transkripts. Grundlage dieser Auslegung ist - abgesehen vom Wortlaut - der Umstand, dass ein Transkript einen geringeren Beweiswert hat als die Aufnahme selbst. Diese Auffassung liegt auch der Rsp des OGH zugrunde, wonach die zivilprozessuale Verwertung eines Transkripts den Regeln des Urkundenbeweises folgt und daher keiner besonderen Interessenabwägung bedarf. Aus der geringeren Authentizität von Transkripten wird auch abzuleiten sein, dass deren Veröffentlichung weniger stark in das Persönlichkeitsrecht der abgehörten Person eingreift als die Veröffentlichung der Tonaufnahme als solcher.

 

Wohl aber lässt sich (auch) aus § 120 StGB die Wertung entnehmen, dass das im Vertrauen auf Vertraulichkeit gesprochene Wort rechtlichen Schutz genießt. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 16 ABGB. Auf dieser Grundlage hat der OGH eine ohne Zustimmung des Gesprächspartners durchgeführte heimliche Tonaufnahme rechtswidrig angesehen. Die abgehörte Person hat grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch, der auch den Beseitigungsanspruch, also den Anspruch auf Löschung der heimlichen Tonaufnahme, umfasst.

 

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird in Bezug auf den Schutz von Briefen, Tagebüchern und ähnlichen vertraulichen Aufzeichnungen durch die ausdrückliche Regelung in § 77 UrhG konkretisiert. Die dieser Bestimmung zugrunde liegende Wertung erfasst auch Transkripte vertraulicher Äußerungen. Denn aus Sicht des Persönlichkeitsrechtsschutzes besteht jedenfalls dann kein tragfähiger Unterschied zwischen eigenen vertraulichen Aufzeichnungen einerseits und fremden Aufzeichnungen des eigenen, vertraulich gesprochenen Wortes andererseits, wenn sich diese fremden Aufzeichnungen auf die besondere Authentizität durch Vorliegen einer Tonaufnahme berufen. In beiden Fällen führt eine Veröffentlichung dazu, dass Dritte Kenntnis von nicht für sie bestimmten Gedanken und Äußerungen einer Person erlangen. Damit übereinstimmend befürwortet Dittrich die Anwendung von § 77 UrhG auch auf das Zugänglichmachen von Tonaufnahmen als solchen.

 

Nach § 77 Abs 3 UrhG besteht der Unterlassungsanspruch auch zugunsten des Empfängers eines Briefes. Der Schutz des § 77 UrhG ist somit nicht auf das eigene Wort beschränkt, er erfasst auch die Vertraulichkeit der Kommunikationssituation als Ganzer. Das hat Folgen für den hier zu beurteilenden Fall: Wird die Anwendbarkeit von § 77 UrhG grundsätzlich bejaht, so muss der Unterlassungsanspruch auch dem Adressaten von vertraulichen mündlichen Äußerungen zustehen, die heimlich aufgenommen und dann transkribiert wurden. Ein tragfähiger Unterschied zum Empfänger eines Briefes ist insofern nicht zu erkennen. Der Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, dass die vom Sicherungsbegehren erfassten Transkripte nicht nur die eigenen Äußerungen des Klägers betreffen.

 

Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 77 UrhG hat der Senat zuletzt in der Entscheidung 4 Ob 3/11m dargelegt. Es ist zunächst zu prüfen, ob die Veröffentlichung berechtigten Interessen des Betroffenen zuwiderläuft; trifft das zu, sind dessen Interessen mit jenen des Gegners am Bruch der Vertraulichkeit abzuwägen. Das höhergradige Veröffentlichungsinteresse ist grundsätzlich vom Verletzer zu behaupten und zu beweisen.

 

Wurde ein vertrauliches Gespräch heimlich aufgenommen, so ist bei einer Weitergabe von Transkripten schon wegen des rechtswidrigen Erlangens der Information und des damit verbundenen qualifizierten Bruchs der Vertraulichkeit eine Verletzung berechtigter Interessen der Betroffenen anzunehmen. Der Verletzer muss daher behaupten und beweisen (bescheinigen), dass ihn höherrangige Interessen dennoch zu einer bestimmten Verwendung der Transkripte berechtigen. So ist es im konkreten Fall nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte die Transkripte tatsächlich benötigt, um gegenüber Vorgesetzten oder anderen (kirchlichen) Organen den Nachweis bestimmter Gesprächsinhalte zu führen, die von öffentlichen Äußerungen der belauschten Personen abweichen. Dieses Interesse müsste allerdings beträchtliches Gewicht haben, um die Verletzung der Vertraulichkeit zu rechtfertigen. Zudem müsste der Beklagte konkret dartun, für welche der transkribierten Aussagen das aus welchen besonderen Gründen gilt. Nur insofern könnte der Bruch der Vertraulichkeit zulässig sein.

 

Ein solches Vorbringen hat der Beklagte nicht erstattet. Vielmehr hat er nur allgemein ausgeführt, dass der Kläger die Veröffentlichung ihn „belastender“ Aussagen verhindern wolle. Das reicht nicht aus, um für bestimmte transkribierte Aussagen das Vorliegen eines höheren Veröffentlichungsinteresses prüfen zu können. Die Vorlage von Urkunden kann ein konkretes Vorbringen nicht ersetzen.

 

Auf die Notwendigkeit, die Transkripte in Verfahren vor staatlichen Behörden zu verwenden, kommt der Beklagte im Revisionsrekurs nicht zurück. Daher kann offen bleiben, ob auch insofern ein Unterlassungsanspruch bestehen kann oder ob die Zulässigkeit der Verwertung als Beweismittel nicht vielmehr ausschließlich von den jeweils zuständigen Behörden zu prüfen ist.