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12.03.2012 Zivilrecht

OGH: Gehilfenhaftung iZm Verletzung der Streupflicht nach § 93 StVO

Im Rahmen der Säuberungs- und Streupflicht gem § 93 StVO wird für das Verschulden eines Gehilfen nicht nach § 1313a ABGB, sondern lediglich im Rahmen des § 1315 ABGB gehaftet


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Streupflicht, Gehilfenhaftung, Besorgungsgehilfe, Übertragung der Verpflichtung, Anscheinsbeweis
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 93 StVO, § 1315 ABGB, § 272 ZPO

GZ 2 Ob 173/11x [1], 14.02.2012

 

Die Klägerin begehrt vom beklagten Hausbetreuungsunternehmen Schadenersatz infolge eines Sturzes wegen Glatteis. Die Beklagte habe die Streupflicht verletzt.

 

Die Beklagte wendete ein, sie hafte nur gem § 1315 ABGB, habe sich jedoch keiner habituell untüchtigen Gehilfen bedient.

 

OGH: Bei der in § 93 Abs 1 StVO normierten Säuberungs- und Streupflicht des Liegenschaftseigentümers (Anrainers) handelt es sich um eine gegenüber der Allgemeinheit bestehende (gesetzliche) Obliegenheit zur Verkehrssicherung. Für das Verschulden eines Gehilfen wird demnach nicht nach § 1313a ABGB, sondern lediglich im Rahmen des § 1315 ABGB gehaftet. Das gilt nicht nur für den primär Verkehrssicherungspflichtigen, sondern auch für denjenigen, der gem § 93 Abs 5 StVO - durch vertragliche Übernahme der Pflicht - an dessen Stelle getreten ist.

 

Die Tatsacheninstanzen haben festgestellt, dass der Mitarbeiter der Beklagten etwa eine Stunde vor dem Unfall der Klägerin sah, dass der Vorfallbereich trocken und unbehindert begehbar ist. Es konnte nicht einmal für den Zeitpunkt des Unfalls mit Sicherheit festgestellt werden, dass eine Glätte des Gehsteigs augenfällig war. Diese Umstände und die festgestellte generelle Arbeitsweise des Mitarbeiters der Beklagten ließen nicht den Schluss zu, er habe für seine Arbeit nicht die erforderlichen Kenntnisse; auch ein genereller Hang zur Nachlässigkeit sei daraus nicht abzuleiten. Die Klägerin habe daher den Anscheinsbeweis, dass eine Untüchtigkeit des Mitarbeiters der Beklagten kausal für ihren Sturz und ihre Verletzungen gewesen sei, nicht erbracht.

 

Die Frage, ob der Anscheinsbeweis erbracht wurde, ist im Revisionsverfahren nicht überprüfbar, weil damit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung bekämpft wird.

 

Ein Überwachungsverschulden der Beklagten kann aus dem festgestellten Sachverhalt nicht begründet werden. Dazu fehlt auch konkretes Vorbringen der Klägerin in erster Instanz.