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19.03.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Schadenersatzklage nach dem BVergG – zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides gem § 184 Abs 3 BVergG 2002 / § 341 Abs 4 BVergG 2006

Das Gericht ist an das Erkenntnis des VwGH gem § 184 Abs 3 BVergG 2002 / § 341 Abs 4 BVergG 2006 gebunden


Schlagworte: Vergaberecht, Schadenersatzrecht, Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides, Vergabekontrollbehörde
Gesetze:

§ 184 BVergG 2002, § 341 BVergG 2006, § 181 BVergG 2002, § 338 BVergG 2006

GZ 7 Ob 129/11p [1], 21.12.2011

 

Die Klägerinnen begehren mit der am 2. 1. 2007 eingebrachten Klage den Ersatz der (frustrierten) Kosten für getätigte Aufwände im Vergabeverfahren, die ihnen durch die rechtswidrigen Ausschreibungsbestimmungen der Beklagten hinsichtlich der verlangten „Baumeisterbefugnis“ (diese Bestimmung sei von den Klägerinnen mit Erfolg bekämpft worden) und „Exportgenehmigung“ (dazu sei eine Beschwerde beim VwGH anhängig) entstanden seien. Sie seien daran gehindert worden, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen und ein Anbot abzugeben, wodurch die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten notwendig geworden seien, um den Feststellungsbescheid des Bundesvergabeamts zu erwirken. Der weit überwiegende Teil der Kosten beziehe sich auf die Prüfung, welche Ansprüche den Klägerinnen insgesamt zustünden. Der Schadenersatzanspruch werde nicht nur auf den Beteiligungskostenersatz gegründet, sondern auch auf jeden anderen erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf culpa in contrahendo.

 

OGH: Es entspricht stRsp des VwGH, dass der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren nach § 163 BVergG 2002 nach einer zwischenzeitlichen Zuschlagserteilung zur Wahrung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach § 184 Abs 2 BVergG 2002 nicht zu einer neuerlichen (sukzessiven) Antragstellung in einem Feststellungsverfahren denselben behaupteten Verstoß betreffend gezwungen ist. Wird zwischenzeitlich (dh nach der Entscheidung der Vergabekontrollbehörde im Nachprüfungsverfahren und vor dem Erkenntnis des VfGH oder des VwGH) der Zuschlag erteilt, so hat eine Aufhebung des Bescheids der Vergabekontrollbehörde die gem § 175 Abs 2 BVergG 2002 vorgesehene Wirkung, dass im fortgesetzten Verfahren vor der Vergabekontrollbehörde unter Bindung an die Rechtsanschauung des VfGH oder VwGH bloß festzustellen ist, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war. Damit ist für den Fall einer zwischenzeitlichen Zuschlagserteilung eine Feststellung durch die Vergabekontrollbehörde, welche gem § 184 Abs 2 BVergG 2002 eine zwingende Voraussetzung für Schadenersatzansprüche ist, gesichert, ohne dass es eines neuerlichen Feststellungsantrags durch den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren nach § 163 BVergG 2002 bedarf.

 

Die Klage wurde am 2. 1. 2007 eingebracht. Das BVergG 2006 trat gem dessen § 354 Abs 1 Z 1 am 1. 2. 2006 in Kraft. Die Frage, nach welcher Gesetzeslage zu prüfen ist, ob der für die Klagsführung notwendige Feststellungsbescheid vorliegt, ob es sich hier insofern analog um einen „schon anhängigen“, nach alter Rechtslage zu beurteilenden Verfahrenspunkt handelt, kann hier dahingestellt bleiben, weil § 184 Abs 2 BVergG 2002 im Wesentlichen - soweit hier relevant - § 341 Abs 2 Z 1 BVergG 2006 entspricht. Die dargelegten Grundsätze sind für beide Gesetzeslagen anzuwenden.

 

Das Gericht ist an das Erkenntnis des VwGH gem § 184 Abs 3 BVergG 2002 / § 341 Abs 4 BVergG 2006 gebunden. Da aber nur die Feststellung des Bescheids der Vergabekontrollbehörde mit dem Teil rechtswidrig ist, mit dem ausgesprochen wurde, dass der Zuschlag nicht dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, während die Feststellung der Rechtswidrigkeit der von den Klägerinnen angefochtenen Entscheidung des Auftraggebers (unter Bindung an das Erkenntnis des VfGH) aufrecht ist und dieser Bescheid dem als Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen geforderten Bescheid iSd § 184 BVergG 2002 / § 341 Abs 2 Z 1 BVergG 2006 entspricht, hat das Berufungsgericht das als Prozessvoraussetzung notwendige Vorliegen eines Feststellungsbescheids zu Unrecht verneint. Daran ändert nichts, dass zur verlangten Exportgenehmigung kein die Rechtswidrigkeit feststellender Bescheid vorliegt. Auf die materiell-rechtliche Konsequenz ist in diesem Verfahrensstadium nicht einzugehen.