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27.03.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum Benachteiligungsverbot iSd § 13 GlBG (bzw § 27 GlBG)

Ob im Einzelfall eine Benachteiligung vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen; um angesichts des Einverständnisses des Arbeitnehmers zu einer einvernehmlichen Auflösung von einer „Benachteiligung“ sprechen zu können, müssen Umstände vorliegen, in denen sich der dem Benachteiligungsverbot zugrunde liegende Gedanke des Schutzes vor Repressalien oder einer Viktimisierung des Arbeitnehmers widerspiegelt


Schlagworte: Gleichbehandlungsrecht, Benachteiligungsverbot, Viktimisierung, anders benachteiligt, einvernehmlichen Auflösung, geringfügige / nicht geringfügige Benachteiligungen
Gesetze:

§ 13 GlBG, § 27 GlBG

GZ 9 ObA 113/11z [1], 25.10.2011

 

OGH: Die §§ 13 und 27 GlBG normieren ein allgemeines Benachteiligungsverbot, dem zufolge ein/e Arbeitnehmer/in als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens (Betriebs) oder als Reaktion auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots vom Arbeitgeber nicht entlassen, gekündigt oder anders benachteiligt werden darf. Das Benachteiligungsverbot dient als Maßnahme zur Verstärkung des Schutzes vor Diskriminierungen, wobei die Bestimmungen die Viktimisierungsverbote in der Rahmengleichbehandlungs-RL 2000/78/EG (Art 11) und der Antirassismus-RL 2000/43/EG (Art 9) umsetzen. Hauptziel des Antidiskriminierungsrechts ist die Sicherstellung eines effektiven Rechtschutzes, der auch den Schutz vor Repressalien einschließen muss.

 

Als unzulässige Viktimisierungshandlungen des Arbeitgebers werden in § 13 GlBG Entlassungen, Kündigungen und - vom Gesetzgeber nicht näher präzisierte - andere Benachteiligungen von Arbeitnehmern als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots genannt. Wie Hopf/Mayr/Aichinger, GlBG § 13 Rz 9, ausführen, eröffnet die Formulierung „anders benachteiligt“ einen ausreichenden Spielraum für die Rechtsanwendung, weil dem unbestimmten Begriff „Benachteiligung“ vielfältige Verhaltensweisen der Arbeitgeber, etwa bei Fragen des beruflichen Aufstiegs, des Zugangs zu betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen oder der Ausgestaltung der konkreten Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern, unterstellt werden können. Ob im Einzelfall eine Benachteiligung nach § 13 GlBG vorliegt, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Es reicht daher nicht aus, wenn ein bestimmtes Verhalten des Arbeitgebers vom betroffenen Arbeitnehmer lediglich subjektiv als benachteiligend empfunden wird. Da die Bestimmung damit deutlich über einen bloßen Kündigungs- oder den ursprünglichen Entlassungsschutz hinausgeht, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch eine einvernehmliche Auflösung eine „andere Benachteiligung“ darstellen kann.

 

Allerdings ist nicht jede kausale Reaktion des Arbeitgebers auf die Geltendmachung von Abwehransprüchen zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots eine verbotene Viktimisierungshandlung. Um angesichts des Einverständnisses des Arbeitnehmers zu einer einvernehmlichen Auflösung von einer „Benachteiligung“ sprechen zu können, müssen Umstände vorliegen, in denen sich der dem Benachteiligungsverbot zugrunde liegende Gedanke des Schutzes vor Repressalien oder einer Viktimisierung des Arbeitnehmers widerspiegelt. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses Ergebnis einer unzulässigen Druckausübung durch den Arbeitgeber, nicht aber, wenn sie Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung des Arbeitnehmers ist.

 

Ob eine einvernehmliche Auflösung dergestalt eine Viktimisierung des Arbeitnehmers darstellt, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

 

Zwar hat das Berufungsgericht bei der Erörterung des Begriffs „Benachteiligung“ ausgeführt, dass dieser ein Mindestmaß an negativen Auswirkungen auf die Lebenssituation der betroffenen Personen immanent sei, sodass „Bagatellfälle“ nicht tatbestandsmäßig seien. In der Folge hat es eine tatbestandsmäßige Benachteiligung aber nicht wegen einer „Bagatelle“, sondern deshalb verneint, weil es nach den Umständen des Falls an sich keine Viktimisierungshandlung erkennen konnte. Danach bedarf es auch nicht der angeregten Klärung durch den EuGH, ob das allgemeine Diskriminierungsverbot des Unionsrechts einer Unterscheidung zwischen geringfügigen und nicht geringfügigen Benachteiligungen entgegensteht.