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23.04.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob eine rund einmonatige Dauer der ehelichen Gemeinschaft bereits die Eigenschaft eines Ehegatten als haushaltsführender Ehepartner iSd § 94 ABGB zu begründen vermag

Eine gewisse Mindestdauer der Haushaltsführung ist grundsätzlich (ausgenommen „Extremfälle“ wie eine bloß eintägige Dauer) keine Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 ABGB; die - ausdrückliche oder konkludente - Vereinbarung zwischen den Ehepartnern ist entscheidend


Schlagworte: Familienrecht, Ehegatte, Unterhaltsanspruch, Haushaltsführung, Mindestdauer, Vereinbarung
Gesetze:

§ 94 ABGB

GZ 4 Ob 17/12x [1], 27.03.2012

 

OGH: Gem § 94 Abs 2 ABGB hat der haushaltsführende Ehegatte auch nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts weiterhin einen Unterhaltsanspruch, sofern dessen Geltendmachung nicht ein Missbrauch dieses Rechts wäre. Auf die Dauer der ehelichen Haushaltsführung stellt das Gesetz nicht ab.

 

In der zweitinstanzlichen Rsp wird die Ansicht vertreten, ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB setze keine jahrelange Führung des Haushalts voraus. Es genüge, wenn die Ehefrau im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts durch eine nicht bloß unerhebliche Zeit den Haushalt geführt und deshalb keinem eigenen Erwerb nachgegangen sei. Eine gewisse Mindestdauer der Haushaltsführung sei nicht Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB. Die Dauer der Ehe sei nur bei nachehelichen Unterhaltsforderungen wesentlich, nicht jedoch bei Unterhalt während aufrechter Ehe.

 

Aus diesen Entscheidungen lässt sich ableiten, dass es va darauf ankommt, ob ein Ehegatte den gemeinsamen Haushalt jemals tatsächlich geführt und so den Beitrag zur Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft geleistet hat. Eine bloß eintägige Dauer der ehelichen Gemeinschaft kann aber einen Unterhaltsanspruch nicht begründen.

 

Die Bestimmungen des § 94 Abs 2 1. und 2. Satz ABGB haben das Ziel, dem den Haushalt führenden Ehegatten, der, von geringfügigen Nebenerwerbstätigkeiten abgesehen, infolge seiner Haushaltsführung seinen Unterhalt nicht durch die Erträgnisse einer eigenen Berufstätigkeit sichern kann, einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten bei bestehender häuslicher Gemeinschaft und nach ihrer Auflösung - ausgenommen den Fall des Rechtsmissbrauchs - zu gewähren. Die Haushaltsführung muss lediglich als Tatsache bestehen, die - wenigstens ursprünglich - von beiden Partnern (auch in diesem Umfang) akzeptiert worden war. Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es ebensowenig wie der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen durch den anderen Ehegatten. Ob der andere Ehegatte sich an der Haushaltsführung beteiligt, spielt an sich keine Rolle, es sei denn er erledigt den Haushalt alleine.

 

Der Senat schließt sich der Rsp an, wonach eine gewisse Mindestdauer der Haushaltsführung grundsätzlich (ausgenommen „Extremfälle“ wie eine bloß eintägige Dauer) keine Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 ABGB ist. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die - ausdrückliche oder konkludente - Vereinbarung zwischen den Ehepartnern entscheidend. Haben sich diese (wenn auch nur durch Anerkennung der faktischen Verhältnisse) auf eine Haushaltsführerehe, dh auf die Führung des gemeinsamen Haushalts durch einen Gatten verständigt, entsteht für diesen ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 ABGB.

 

Im vorliegenden Fall lebten die Streitteile einen Monat lang in ehelicher Gemeinschaft. Ausgehend von dem als bescheinigt festgestellten Sachverhalt führte die Klägerin während dieser Zeit den ehelichen Haushalt. Wenn der Beklagte nähere Feststellungen zur Haushaltsführung der Klägerin vermisst, ist ihm mit dem Rekursgericht entgegen zu halten, dass er die Haushaltsführung durch die Klägerin in erster Instanz nicht bestritten hat. Der erst im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwand des Beklagten, die Klägerin habe gar keinen Haushalt geführt, erfolgte daher verspätet.

 

Für eine allfällige rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterhalts trifft den Unterhaltsverpflichteten die Behauptungs- und Beweislast. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist auch im Provisorialverfahren über das Begehren einstweiligen Unterhalts möglich.

 

Hier ist es dem Beklagten nicht gelungen, schwere Verfehlungen der (psychisch kranken) Klägerin zu bescheinigen, welche die Unterhaltsverwirkung begründen ließen. Die Vorinstanzen haben das Verhalten der Klägerin, dass sie die eheliche Gemeinschaft mit dem Beklagten nicht fortsetzte, als krankheitsbedingt nicht vorwerfbar beurteilt. Darin liegt keine Fehlbeurteilung, gehört doch zum Wesen der schweren Eheverfehlung ihre Zurechenbarkeit kraft Verschuldens.