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28.05.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Sind steuerrechtliche Veräußerungsgewinn iSd § 24 EStG unter den Begriff der maßgeblichen Einkünfte des § 8 KBGG zu subsumieren?

Steuerrechtliche Veräußerungsgewinne nach § 24 EStG stellen keine Einkünfte iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG dar; anderes kann gelten, wenn Umstände vorliegen, die klar zutage treten lassen, dass der Gesellschafterwechsel nicht auf ein entgeltliches Rechtsgeschäft wie unter fremden Personen zurückzuführen, sondern von Schenkungsabsichten getragen ist; tritt an die Stelle des betrieblichen Interesses eine private Motivation, so muss dies mit besonderer Deutlichkeit in Erscheinung treten


Schlagworte: Kinderbetreuungsgeld, Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte, Veräußerungsgewinne, Schenkungsabsichten, Rückforderung
Gesetze:

§ 8 KBGG, § 24 EStG, § 31 KBGG

GZ 10 ObS 51/12s [1], 03.05.2012

 

OGH: Die Revision zeigt selbst den in stRsp vertretenen Grundsatz auf, wonach - aufgrund der unterschiedlichen Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze - zwischen dem Einkommen iSd EStG und dem Erwerbseinkommen iSd Sozialversicherungsgesetze erhebliche Unterschiede bestehen können, sodass die Versicherungsträger (sowie aufgrund der sukzessiven Kompetenz die Gerichte) bei der Ermittlung des relevanten Einkommens zu durchaus anderen Ergebnissen als die Steuerbehörden im Abgabeverfahren kommen können.

 

Nach dieser Rsp ist eine Bindung der Gerichte an einen Einkommensteuerbescheid der Abgabenbehörde in diesem Zusammenhang zu verneinen. So sind etwa steuerliche Abschreibungen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen vorgesehen sind, für den Sozialversicherungsbereich nicht als einkommensmindernd anzuerkennen. Schon deshalb können die Gerichte, deren Bindung sich überdies nur auf den Spruch über den Bescheidgegenstand (hier: Festsetzung der Einkommensteuer) erstrecken kann, nicht „an sämtliche enthaltenen Daten“ des Einkommensteuerbescheids der Abgabenbehörde gebunden sein: Sowohl nach der Lehre als auch nach stRsp ist für die Gerichte vielmehr nur der Spruch über den Bescheidgegenstand bindend, nicht hingegen dessen Begründung bzw rechtliche Beurteilung.

 

Demgemäß ist § 8 Abs 1 Z 2 Satz 1 KBGG, nach dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (nach § 22 EStG) mit jenem Betrag zu berücksichtigen sind, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht, zB so zu verstehen, dass davon (jedenfalls) auch im Ausland erzielte Einkünfte erfasst sind; und zwar ungeachtet dessen, dass diese infolge der Geltung von Doppelbesteuerungsabkommen im Inland (gar) nicht besteuert werden dürfen. Es sind daher bei der Beurteilung eines möglichen Überschreitens der Zuverdienstgrenze Erwerbseinkünfte unabhängig davon, ob sie allein im Inland und/oder im Ausland erzielt wurden, einzubeziehen. Nach dieser Rsp sind unter maßgeblichen Einkünften iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG also (vom Einkommensteuerbescheid abweichend) auch im Ausland erzielte zu verstehen, die im Inland aufgrund von Doppelbesteuerungseinkommen gar nicht steuerpflichtig sind.

 

Letztlich ist es somit Aufgabe der Gerichte, zu klären, welche Einkünfte bzw Abzüge bei der Ermittlung der Höhe des Erwerbseinkommens iSd Sozialversicherungsgesetze zu berücksichtigen sind.

 

Was nun den Willen des Gesetzgebers betrifft, führt dieser hinsichtlich des Einkommens (§ 8 KBGG) zu der in § 2 Abs 1 Z 3 KBGG geregelten Zuverdienstgrenze in den Gesetzesmaterialien aus, dass diese auf den „maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte“ abstellt, wobei „grundsätzlich“ von den (steuerpflichtigen) Einkünften gem EStG ausgegangen wird.

 

Nach den weiteren Ausführungen in den Materialien zur hier maßgebenden Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 2 KBGG ist bei den „anderen Einkünften“ eine zeitliche Zuordnung vielfach nicht möglich (etwa bei der Absetzung für Abnutzung oder bei Rückstellungen). Überdies sind Gestaltungen, wie sie für den Bereich der Lohneinkünfte typisch sind (Herabsetzung der Arbeitszeit, Wechsel in ein anderes Dienstverhältnis), kaum gegeben. Es ist daher gerechtfertigt, grundsätzlich die Einkünfte des gesamten Jahres anzusetzen. Auch in diesem Bereich erfolgt aber eine Bereinigung der Einkünfte um abgezogene Pflichtbeiträge; und iSe Gleichbehandlung mit den Beziehern von Lohneinkünften soll es auch den selbständig Tätigen ermöglicht werden, eine zeitliche Zuordnung der auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte zu treffen. Voraussetzung dafür ist ein konkreter „Zuordnungsnachweis“. Im Bereich der betrieblichen Einkünfte wird vom Vorliegen eines solchen Nachweises dann ausgegangen werden können, wenn ein rechnerischer Zwischenabschluss („Rumpfwirtschaftsjahr“) erstellt wird. In weiterer Folge werden die auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte gleich den nichtselbständigen Einkünften auf einen Jahresbetrag hochgerechnet. Auch die Materialien sprechen somit für die Möglichkeit, die auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte abweichend vom Einkommensteuerbescheid zu ermitteln und damit gegen eine Bindung an sämtliche dort enthaltene Daten.

 

Im Gegensatz zu § 149 GSVG (der auf die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge abstellt) und zu § 145 Abs 5 iVm § 60 Abs 1 GSVG (die als Erwerbseinkommen aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit den auf den Kalendermonat entfallenden Teil der nachgewiesenen Einkünfte aus dieser Tätigkeit definieren) ordnet § 8 Abs 1 Z 2 KBGG lediglich an, dass - ua - Einkünfte nach § 23 EStG mit jenem Betrag zu berücksichtigen sind, der in die Ermittlung des Einkommens „für das betreffende Kalenderjahr eingeht“.

 

Demgegenüber sind im Beitragsrecht gem § 25 Abs 1 GSVG für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für die Pflichtversicherten die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegen, heranzuziehen; wobei als Einkünfte „die Einkünfte iSd EStG gelten“.

 

Veräußerungsgewinne sind nach § 24 EStG Gewinne, die ua bei Veräußerung eines ganzen Betriebs, eines Teilbetriebs bzw eines Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist, erzielt werden. Diese Zuordnung des Veräußerungsgewinns zu den steuerpflichtigen Einkünften stellt eine Konstruktion des Steuerrechts dar, die darauf beruht, dass diese Gewinne als echte Einkünfte gewertet werden. Führt aber der Versicherte in der Folge die auf Veräußerungsgewinne entfallenden Beträge wiederum dem Betriebsvermögen (Anlagevermögen) zu, dann ist bei wirtschaftlicher Betrachtung gegenüber dem Zustand vor Veräußerung des Betriebs keine Änderung eingetreten. Aus diesem Grund ist im § 25 Abs 2 Z 3 GSVG vorgesehen, dass auf Veräußerungsgewinne nach den Vorschriften des EStG entfallende Beträge im Durchschnitt der Monate der Erwerbstätigkeit die Beitragsgrundlage gem Abs 1 vermindern, wenn es der Versicherte beantragt und überdies nur insoweit, als der auf derartige Gewinne entfallende Betrag dem Sachanlagevermögen eines Betriebs des Versicherten oder einer GmbH, an der der Versicherte mit mehr als 25 % beteiligt ist, zugeführt worden ist. Im Beitragsrecht (§ 25 GSVG) handelt es sich daher bei Veräußerungsgewinnen zusammenfassend um Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit, wobei diese Veräußerungsgewinne jedoch unter den erwähnten Voraussetzungen des § 25 Abs 2 Z 3 GSVG die Beitragsgrundlage reduzieren.

 

Wie zuletzt in dieser vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegeben Entscheidung (10 ObS 7/11v) dargelegt wurde, entspricht es der Zielsetzung des KBGG, das Kinderbetreuungsgeld nur jenen Eltern(-teilen) zu gewähren, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken. Die „Zuverdienstgrenze“ ist daher als Maßstab für die Bereitschaft zur Einschränkung der Berufstätigkeit zugunsten der Betreuungsleistung bzw - anders betrachtet - für die Bereitschaft (und Möglichkeit) zur Kinderbetreuung zu sehen. Im Hinblick auf diese Zielsetzung erscheint es aber sachlich nicht gerechtfertigt, Veräußerungsgewinne iSd § 24 EStG als ein iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG relevantes Einkommen zu behandeln weil dies im Extremfall dazu führen könnte, dass jemand, der eine selbstständige Tätigkeit im Interesse der Betreuungsarbeit aufgibt, deswegen das Kinderbetreuungsgeld verliert, weil der Veräußerungsgewinn die Zuverdienstgrenze übersteigt.

 

Wie ebenfalls bereits in der Entscheidung 10 ObS 7/11v dargelegt wurde, ist der OGH bereits zu 10 ObS 250/91 und 10 ObS 6/93 zum Ergebnis gelangt, dass es sich beim Veräußerungsgewinn iSd § 24 EStG zwar um betriebliche Einkünfte im steuerlichen Sinn handelt, aber weder um Einkünfte im ausgleichszulagenrechtlichen Sinn (§ 149 GSVG), noch um ein Erwerbseinkommen iSd § 60 GSVG, welches bei der Berechnung der Witwenpension zu berücksichtigen wäre. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die steuerliche Erfassung des Veräußerungsgewinns eine Art Finalbesteuerung darstellt, durch die alle bis dahin unversteuert gebliebenen Vermögensvermehrungen anlässlich der Veräußerung bzw Aufgabe des Betriebs einer Besteuerung unterzogen werden, und es sich beim Veräußerungsgewinn daher nicht um ein Erwerbseinkommen aus einer gleichzeitig ausgeübten Erwerbstätigkeit handelt.

 

Diese Rsp kann hier fortgeschrieben werden; ist doch das für die Zuverdienstgrenze maßgebliche Gesamteinkommen gem § 8 Abs 1 Z 2 KBGG ausdrücklich so zu ermitteln, dass - ua - Einkünfte nach § 23 EStG mit „jenem Betrag zu berücksichtigen sind“, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht, wobei „nur jene Einkünfte zu berücksichtigen sind, die während des Anspruchszeitraumes angefallen sind“, wenn nachgewiesen wird, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraums angefallen sind.

 

An solchen Einkünften, die während des Anspruchszeitraums „angefallen“ und daher bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen wären, fehlt es aber beim rein fiktiven „Veräußerungsgewinn“.

 

Auch wenn daher der Veräußerungsgewinn im Beitragsrecht gem § 25 GSVG grundsätzlich als relevantes Einkommen gewertet wird, ist im Leistungsrecht davon auszugehen, dass es sich beim hier zu beurteilenden „fiktiven“, eine Konstruktion des Steuerrechts darstellenden Veräußerungsgewinn um kein iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG relevantes Einkommen handelt, welches dem für die Rückforderung des Kinderbetreuungsgeldes maßgebenden Zeitraum zugeordnet werden könnte.

 

In der Bestimmung des § 24 Abs 2 letzter Satz EStG wird eine unternehmens(handels)rechtlich allenfalls gar nicht bestehende Verpflichtung eines ausscheidenden Mitunternehmers zur Auffüllung seines Kapitalkontos für steuerliche Zwecke jedenfalls als bestehend fingiert, sodass die Übernahme dieser (fingierten) Verpflichtung durch bisherige oder neu eintretende Gesellschafter schuldbefreiend wirkt und so zu einem „Veräußerungsgewinn“ führt. Diese Bestimmung kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn Umstände vorliegen, die klar zutage treten lassen, dass der Gesellschafterwechsel nicht auf ein entgeltliches Rechtsgeschäft wie unter fremden Personen zurückzuführen, sondern von Schenkungsabsichten getragen ist. Tritt an die Stelle des betrieblichen Interesses eine private Motivation, so muss dies mit besonderer Deutlichkeit in Erscheinung treten. Ein negatives Kapitalkonto, das ein ausscheidender Mitunternehmer (zB Kommanditist) bei realer Überschuldung nicht auffüllen muss, ist jedenfalls als Veräußerungsgewinn zu erfassen.

 

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aus der Schenkung des Kommanditanteils an ihre Schwestern aber weder einen tatsächlichen Erlös oder sonstiges Einkommen erzielt, noch wurde sie - auch wenn zum Zeitpunkt der Schenkung das Kapitalkonto des Kommanditanteils der Klägerin einen negativen Saldo aufgewiesen hat - durch die Übernahme des Kommanditanteils von einer Verpflichtung befreit (sie war zur Auffüllung ihres negativen Kapitalkontos ja nicht verpflichtet). Im dennoch zu versteuernden fiktiven Veräußerungsgewinn sind keine in die Einkommensermittlung (im maßgebenden Zeitraum) eingehenden Einkünfte der Klägerin enthalten, die bei der Berechnung des Gesamtbetrags iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG zu berücksichtigen wären. Der Revision der beklagten Partei muss daher ein Erfolg versagt bleiben.