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04.06.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur nachwirkenden Fürsorgepflicht des früheren Arbeitgebers (hier: Ankündigung des früheren Arbeitgebers, die Geschäftsbeziehung mit dem neuen Arbeitgeber dann einschränken zu wollen, wenn die frühere Angestellte für die Betreuung zuständig sein sollte)

Nachwirkende Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsvertrag können es verbieten, den Vertragsabschluss mit einem anderen Vertragspartner mit der Begründung abzulehnen, dass dieser einen nicht genehmen früheren Angestellten beschäftigt; naturgemäß kann diese Weigerung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein; mit zunehmender zeitlicher Entfernung der Auflösung des früheren Arbeitsverhältnisses verliert auch die Fürsorgepflicht an Bedeutung


Schlagworte: Nachwirkende Fürsorgepflicht, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Entgang einer Erwerbsgelegenheit
Gesetze:

§ 1157 ABGB, § 18 AngG

GZ 9 ObA 56/11t [1], 30.04.2012

 

OGH: Es kann als gesichert angesehen werden, dass die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nachwirkt und er auch nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet ist, dafür zu sorgen, dass dem Arbeitnehmer keine Nachteile entstehen.

 

Diese grundsätzliche Verpflichtung wird gerade iZm Auskünften gegenüber potentiellen neuen Arbeitgebern bejaht und mit schützenswerten Interessen dieser potentiellen neuen Arbeitgeber sowie des früheren Arbeitgebers abgewogen.

 

Hier geht es nun nicht allein um eine Auskunft des früheren Arbeitgebers. Die Beklagten haben wegen der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit der früheren Dienstnehmerin gegenüber dem potentiellen neuen Arbeitgeber zum Ausdruck gebracht, mit diesem nur noch eingeschränkt Geschäfte abschließen zu wollen, falls dieser die Arbeitnehmerin beschäftigt. In ihrem Rechtsmittel begründen dies die Beklagten im Wesentlichen damit, dass sie aufgrund ihrer Geschäftsbeziehung mit der Versicherung gehalten gewesen seien, diese rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen. Auch sei zu berücksichtigen, dass schon mehr als die dreijährige Verjährungsfrist nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelaufen sei. Die Beklagten hätten im Rahmen ihrer Privatautonomie jedenfalls das Recht gehabt, mit der Klägerin nicht mehr in rechtsgeschäftlichen Kontakt zu treten. Dem hat jedoch bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass es hier gar nicht darum gegangen ist, dass die Beklagten mit der Klägerin in rechtsgeschäftlichen Kontakt treten, sondern, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Funktion als Dienstnehmerin der Versicherung tätig geworden wäre.

 

Es ist nun grundsätzlich zutreffend, dass die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie gerade auch die Privatautonomie, insbesondere das Recht frei darüber zu entscheiden, ob ein privatrechtlicher Vertrag abgeschlossen wird oder nicht, umfasst. Ebenso eindeutig ist aber auch, dass dieses Recht durch verschiedene Verpflichtungen, die sich gerade auch aus anderen Verträgen ergeben können, eingeschränkt sein kann. Dementsprechend können es nachwirkende Fürsorgepflichten aus dem Arbeitsvertrag verbieten, den Vertragsabschluss mit einem anderen Vertragspartner mit der Begründung abzulehnen, dass dieser einen nicht genehmen früheren Angestellten beschäftigt. Naturgemäß kann diese Weigerung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Solche wurden aber von den Beklagten nicht nachgewiesen. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Ankündigung der Beklagten, die Geschäftsbeziehung mit der Versicherung dann einschränken zu wollen, wenn die frühere Angestellte für ihre Betreuung zuständig sein sollte, gegen die nachwirkende Fürsorgepflicht verstößt.

 

Grundsätzlich Gewicht zuzumessen ist dem Argument der Beklagten, dass mit zunehmender zeitlicher Entfernung der Auflösung des früheren Arbeitsverhältnisses auch die Fürsorgepflicht an Bedeutung verliert. Auch hier ist jedoch eine Gesamtbetrachtung anzustellen, die nicht alleine die zeitliche Komponente ins Zentrum rückt, sondern die Betrachtung der Gesamtsituation miteinschließt. Dabei fällt hier ins Gewicht, dass sich die Ablehnung der Beklagten im Wesentlichen darauf gründet, dass sie in einem Arbeitsgerichtsprozess der Klägerin unterlegen sind, der erst im Jahr 2006 endete. Damit kommt aber die ganz klare Wertung des § 105 Abs 1 Z 1 lit i ArbVG zum Tragen, wonach Benachteiligungen des - früheren - Arbeitnehmers die darauf fußen, dass dieser seine Ansprüche gegenüber dem - früheren - Arbeitgeber geltend macht, verpönt sind. Insgesamt können daher die Beklagten auch mit diesem Argument nicht durchdringen, sodass die Haftung zu bejahen ist.