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02.07.2012 Zivilrecht

OGH: Fehlberatung / unterlassene Prozesshandlung – zur Rechtsanwaltshaftung

Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, so ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess - auch bezüglich der dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen - hypothetisch nachzuvollziehen und es ist zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Rechtsanwalt, Haftung, Fehlberatung, unterlassene Prozesshandlung, hypothetischer Verfahrensablauf/Lebensvorgang
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 9 RAO

GZ 7 Ob 61/12i [1], 30.05.2012

 

OGH: Der Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze nach einhelliger LuRsp. Er muss, soll diese Haftung ausgeschlossen werden, seine Partei aufklären, wenn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhelligen herrschenden Rechtsübung eine Prozessführung aussichtslos erscheint. Tut er dies nicht, ist seine Tätigkeit wertlos. Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwalts gehört die Belehrung des Mandanten. Eine unzulängliche Rechtsbelehrung macht den sie erteilenden Rechtsanwalt schadenersatzpflichtig. Nur dann, wenn sich eine Spruchpraxis zu einer bestimmten Rechtsfrage noch nicht gebildet hat, kann dem Rechtsanwalt kein Vorwurf gemacht werden, wenn ein von ihm eingenommener, an sich vertretbarer Rechtsstandpunkt in der Folge von der Rsp nicht geteilt werden sollte. Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, so ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess - auch bezüglich der dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen - hypothetisch nachzuvollziehen und es ist zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn die Prozesshandlung vorgenommen worden wäre. Bei der Beurteilung, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf der Geschehnisse unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte. Der Kläger ist für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre.