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23.07.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Keyword Advertising auf google.de – Verletzung des österreichischen Marken- und Lauterkeitsrecht

Allein die Zugänglichkeit einer Website, auf der für rechtsverletzende Waren geworben wird, begründet noch keine Markenrechtsverletzung; auch ein Lauterkeitsverstoß (mit Auswirkungen auf dem österreichischen Markt) setzt voraus, dass sich das beanstandete Verhalten auf dem österreichischen Markt nicht bloß unerheblich auswirkt


Schlagworte: Markenschutzrecht, Wettbewerbsrecht, Werbung auf google.de, Keyword Advertising
Gesetze:

MSchG, UWG

GZ 4 Ob 82/12f [1], 10.07.2012

 

OGH: Das Vorliegen einer Markenverletzung durch Werbung im Internet setzt einen über die bloße Abrufbarkeit einer Website hinausgehenden Inlandsbezug voraus.

 

Zwar hat der Senat in 4 Ob 81/01t ausgesprochen, dass ein Eingriff in Rechte an einer österreichischen Marke schon dann vorliege, wenn im Internet eine Website aufgesucht werden könne, auf der für rechtsverletzende Waren geworben werde. Schon in 4 Ob 110/01g hat er aber die Frage, ob dies tatsächlich zutreffe oder ob die Website nicht vielmehr auf den österreichischen Markt ausgerichtet sein müsse, ausdrücklich offen gelassen. In 17 Ob 6/11y (- alcom-international.at) hat der OGH einen Revisionsrekurs gegen die Abweisung eines Sicherungsantrags zurückgewiesen, weil die Verletzung inländischer Kennzeichenrechte durch die Aufnahme des Zeichens in eine Domain mit einer anderen länderspezifischen Top-level-Domain nicht offenkundig sei und die Klägerin dazu kein Vorbringen erstattet habe. Dem lag erkennbar die Auffassung zugrunde, dass eine Zeichenrechtsverletzung nur bei einem über die bloße Aufrufbarkeit hinausgehenden Inlandsbezug der Website vorliegen könne.

 

Bei grundsätzlich gleicher (harmonisierter) Rechtslage hat der deutsche BGH in I ZR 163/02 ausgesprochen, dass eine Markenrechtsverletzung bei Werbung im Internet nur dann angenommen werden könne, wenn das Angebot einen wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug aufweise. Diese Auffassung wird in der Lehre allgemein geteilt. Sie stimmt auch mit den (primär rechtspolitischen) Vorschlägen in der von der WIPO und der Pariser Union herausgegebenen „Joint Recommendation Concerning Provisions on the Protection of Marks, and Other Industrial Property Rights in Signs, on the Internet“ überein. Danach setzt eine Markenrechtsverletzung im Internet einen „commercial effect“ im Schutzstaat voraus (Art 2). Für die Prüfung der Frage, ob eine solche „wirtschaftliche Auswirkung“ vorliegt, nennt die Recommendation mehrere Kriterien; eines davon ist die länderspezifische Top-level-Domain jener Website, auf der die Markenrechtsverletzung angeblich begangen wurde (Art 3 Abs 1 lit d sublit iii).

 

Auch der EuGH hat zuletzt ausgesprochen, dass die bloße Zugänglichkeit einer Website im Internet für die Annahme einer Markenrechtsverletzung noch nicht ausreiche; vielmehr müsse sich die Website an im Schutzstaat ansässige Verbraucher „richten“. Ob das zutreffe, sei von den nationalen Gerichten im Einzelfall anhand der „relevanten Indizien“ zu beurteilen. Im konkreten Fall hatte die Klägerin ihr Begehren vor einem britischen Gericht auf britische und Gemeinschaftsmarken gestützt, die durch ein Angebot auf www.eBay.co.uk verletzt worden seien. Der EuGH leitete aus der auf Großbritannien weisenden Top-level-Domain .uk ab, dass sich die strittigen Angebote an britische Verbraucher gerichtet hätten.

 

Auf dieser Grundlage kann der Senat seine ältere Rsp, wonach allein die Zugänglichkeit einer Website, auf der für rechtsverletzende Waren geworben werde, eine Markenrechtsverletzung begründe, nicht aufrecht erhalten. Vielmehr ist zu verlangen, dass sich die Website zumindest auch an inländische Nutzer richtet. Diese Frage ist objektiv zu beurteilen. Sie wird nur dann zu bejahen sein, wenn ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug, also eine nicht bloß unerhebliche Auswirkung der Werbung auf den inländischen Markt (ein „commercial effect“) vorliegt oder wenigstens realistischerweise zu erwarten ist. Die neue Rsp des EuGH stimmt daher in der Sache mit der bisherigen deutschen Rsp und der Joint Recommendation der WIPO und der Pariser Union überein.

 

Im konkreten Fall beanstandet die Klägerin ausschließlich die Nutzung ihrer Marke als Keyword auf google.de. Daher ist zu fragen, ob sich die dort geschaltete Werbung (auch) an potentielle österreichische Abnehmer richtet, ob sich die Werbung also (auch) auf dem österreichischen Markt nicht bloß unerheblich auswirkt oder zumindest - bei realistischer Betrachtung - auswirken kann. Dass die Beklagte ihre Tätigkeit grundsätzlich (auch) auf Österreich ausrichtet, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil aufgrund des allein darauf gerichteten Begehrens nur die Wirkung der Keyword-Werbung auf google.de zu beurteilen ist.

 

Gegen die Annahme einer relevanten Wirkung der Werbung im Inland spricht die nicht auf Österreich weisende länderspezifische Top-level-Domain .de. In Österreich werden va google.at und google.com genutzt. Die Annahme der Klägerin und des Rekursgerichts, dass die angesprochenen Kreise in einem relevanten Ausmaß auch auf google.de zugreifen, ist zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber durch keinen dem Senat bekannten Erfahrungssatz gedeckt. Daher hätte die Klägerin diesen Umstand nicht nur behaupten, sondern auch - etwa durch die Ergebnisse einer Nutzerbefragung - bescheinigen müssen. Damit muss ihr markenrechtlicher Anspruch im Sicherungsverfahren scheitern. Im Hauptverfahren wird der diesbezügliche Beweis nur durch ein Sachverständigengutachten geführt werden können.

 

Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass sich die besondere Relevanz der Top-level-Domain .de hier va daraus ergibt, dass die Suchmaschine Google auch unter der österreichischen Top-level-Domain .at verfügbar ist. Daher ist im Zweifel anzunehmen, dass österreichische Nutzer eher auf die österreichische Ausgabe (oder allenfalls auf google.com) zugreifen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass dies ganz allgemein für Internetauftritte von deutschen Unternehmen gelte, die für ihre Website die Top-level-Domain .de nutzen. Hier ist aufgrund derselben Sprache die Ausrichtung (auch) auf Österreich nicht von vornherein ausgeschlossen. Ob sie tatsächlich vorliegt, wäre nach dem Inhalt der Website und nach der Ausrichtung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens zu prüfen.

 

Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Lauterkeitsrecht stützt, ist die Rechtslage im Ergebnis gleich.

 

Im vorliegenden Sicherungsverfahren sind nur Lauterkeitsverstöße mit Auswirkungen auf dem österreichischen Markt zu beurteilen. Hier gelten grundsätzlich die gleichen Erwägungen wie im Markenrecht: Die nicht bloß unerhebliche Beeinflussung des Wettbewerbs zum Nachteil von Mitbewerbern (§ 1 Abs 1 lit a UWG) oder die Eignung zur wesentlichen Beeinflussung eines durchschnittlichen Angehörigen der Marktgegenseite (§ 1 Abs 1 lit b UWG), insbesondere eine zu dessen Irreführung geeignete Geschäftspraktik (§ 2 UWG), setzt ebenfalls voraus, dass sich das beanstandete Verhalten auf dem österreichischen Markt nicht bloß unerheblich auswirkt. Die bloße Zugänglichkeit von google.de reicht daher auch hier nicht aus. Vielmehr hätte die Klägerin konkret (behaupten und) bescheinigen müssen, dass das Buchen des Keywords auf dieser Website auch am österreichischen Markt nicht bloß unerhebliche Auswirkungen hatte oder zumindest haben konnte.

 

Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs der Klägerin schon mangels eines relevanten (bescheinigten) Inlandsbezugs des beanstandeten Verhaltens scheitern. Auf die vom Rekursgericht verneinte Frage, ob das Verhalten der Beklagten bei Bejahung dieses Inlandsbezugs Unterlassungsansprüche begründete, kommt es unter diesen Umständen nicht an (vgl dazu 17 Ob 3/10f = ÖBl 2011, 29 [Büchele] = jusIT 2010, 174 [Thiele] - Bergspechte III, sowie das Vorabentscheidungsersuchen 17 Ob 8/10s; vgl aber auch BGH I ZR 125/07 = GRUR 2011, 828 - Bananabay II; zu den darin zum Ausdruck kommenden Unterschieden im Schutzniveau Ohly, Anmerkung zu C-323/09, Interflora, GRUR 2011, 1131 [1132]; Schubert, BGH: Keyword Advertising mit fremden Marken ist zulässig, MR 2011, 212 ff; Wukoschitz, Keyword Advertising - „Bergspechte“ nun vom OGH entschieden, ecolex 2010, 972 [973]).