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15.10.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG im Geltungsbereich der WRN 2006 generell auf jegliche einseitige Mietzinsanhebung anzuwenden ist

Eine analoge Anwendung der Präklusionsregelungen der §§ 16 Abs 8 und 9 MRG bzw §§ 12a Abs 2, 45 Abs 1 und 2, 46 Abs 2 und 46a Abs 6 MRG bei einer vom Vermieter ohne jede gesetzliche oder vertragliche Grundlage vorgenommenen Anhebung des vertraglich vereinbarten Hauptmietzinses ist mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke ausgeschlossen


Schlagworte: Mietrecht, einseitige Mietzinsanhebung, Präklusivfrist
Gesetze:

§ 16 MRG, § 7 ABGB

GZ 5 Ob 66/12k [1], 09.08.2012

 

OGH: Ein Analogieschluss, hier die analoge Anwendung des für Mietzinsvereinbarungen geltenden § 16 Abs 8 MRG bzw der §§ 12a Abs 2, 16 Abs 9, 45 Abs 1 und 2, 46 Abs 2 und 46a Abs 6 MRG, setzt eine Gesetzeslücke voraus; dh also, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf. Es muss eine „planwidrige Unvollständigkeit“, also eine nicht gewollte Lücke, vorliegen. Vom Gesetzgeber beabsichtigte Lücken rechtfertigen einen Umkehrschluss; Analogie ist hingegen geboten, wenn für eine verschiedene Behandlung der Sachverhalte kein Grund zu finden ist. Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu.

 

Die gesetzestechnische Umsetzung der mit der WRN 2006 neu eingefügten Präklusionsregelungen zeigt, dass gerade keine Änderung der allgemeinen - Mietzinsvereinbarungen betreffenden - Regelung erfolgte, sondern gezielt Einzelbestimmungen reformiert wurden, die einerseits auf einem gesetzlich eingeräumten, einseitigen Gestaltungsrecht des Vermieters beruhende Fälle von Mietzinserhöhungen und andererseits eine Erhöhung des Hauptmietzinses durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung betreffen. Dass der Gesetzgeber gezielt Änderungen gerade und nur in den beiden genannten Bereichen angestrebt hat, legen auch die ErläutRV 1183 BlgNR 22. GP 42 nahe, nach denen - zweifelsfrei auf die Einzelbestimmungen bezogen - die Neuregelungen „für all die genannten Fälle“ Klarheit schaffen sollen.

 

Es ist wohl auch ein struktureller Unterschied zu bejahen zwischen jenen legistisch genau umrissenen Fällen, in denen dem Vermieter unmittelbar aufgrund des Gesetzes ein Recht auf Anhebung des Mietzinses oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Geltendmachung einer Wertsicherung zusteht, gegenüber jenen Konstellationen, in denen der Vermieter völlig eigenmächtig ohne jede gesetzliche oder vertragliche Grundlage - hier sogar entgegen einer Entscheidung der Schlichtungsstelle - den vertraglich vereinbarten Mietzins anhebt. Den Schluss, dass der Gesetzgeber auch für letztgenannte Fälle einen mit jeder Präklusionsregelung verbundenen Rechtsverlust des Mieters vorsehen wollte, lässt die Entwicklung der geltenden Rechtslage nicht zu.