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05.11.2012 Zivilrecht

OGH: Besitzstörungsverfahren – zu Unterlassungsklagen aufgrund von entgegen den Bestimmungen der StVO abgestellten Fahrzeugen

Wird ein Wohnmobil ohne Kennzeichen und ohne diesbezügliche Bewilligung gem § 82 Abs 2 StVO, ansonsten aber ordnungsgemäß auf einer Straße abgestellt, so begründet dieses Abstellen für sich allein keine Besitzstörung; ein nach der StVO zulässiges Parken stellt, auch wenn dieses zwangsläufig Auswirkungen auf die Parkmöglichkeiten anderer Fahrzeuge hat, jedenfalls keine Besitzstörung dar; für einen Unterlassungsanspruch eines Verkehrsteilnehmers gegen einen anderen aufgrund dessen Verstoßes gegen eine Vorschrift der StVO besteht keine Anspruchsgrundlage; die Ahndung von Verstößen gegen die StVO steht somit grundsätzlich den Verwaltungsbehörden, nicht aber Privaten im Weg der Unterlassungsklage zu


Schlagworte: Besitzstörungsklage, Unterlassungsklage, Straßenverkehrsrecht, Parken für Haus, Wohnmobil, Bewilligung, Sichtbehinderung, Schadenersatzrecht, Schutznorm
Gesetze:

§ 339 ABGB, § 454 ZPO, § 82 StVO, § 24 StVO, § 1 JN, § 1311 ABGB

GZ 2 Ob 56/12t [1], 24.04.2012

 

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung des Abstellens von Fahrzeugen, insbesondere seines Wohnmobils, auf der Westseite der S*****straße auf Höhe der Liegenschaft Nr 5. Der Beklagte habe sein Wohnmobil ohne Kennzeichen jahrelang vor der Liegenschaft der Klägerin so sichtbehindernd abgestellt, dass das Ein- und Ausfahren zu und von Vorplatz und Garage beträchtlich erschwert werde. Dadurch werde eine massive Gefahrenquelle geschaffen. Das Abstellen des Wohnmobils des Beklagten sei darüber hinaus rechtswidrig, weil es ohne behördliche Kennzeichen erfolge. Die behördliche Genehmigung beziehe sich nämlich nur auf das Abstellen auf Höhe des Hauses des Beklagten, nicht aber auch auf den tatsächlich benützten Platz. Die körperliche Sicherheit der Klägerin und sonstiger Benützer ihrer Haus- und Grundstückszufahrt und das Eigentum der Klägerin würden konkret erheblich gefährdet. Der Beklagte sei nicht bereit, sein Wohnmobil anderswo abzustellen.

 

OGH: Zur geltend gemachten Nichtigkeit:

 

Die Vorinstanzen haben sich weder im Spruch ihrer Entscheidungen noch in den Gründen mit der vom Beklagten erhobenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs befasst. Dem OGH ist daher die Prüfung dieses Einwands nicht verwehrt.

 

Die Nichtigkeit liegt jedoch nicht vor. Die Klägerin macht nicht den im Verwaltungsverfahren zu entscheidenden Anspruch des Staats auf verwaltungsrechtliche Bestrafung des Klägers wegen Verstoßes gem § 82 Abs 2 StVO, sondern vielmehr einen auf verschiedene Umstände gestützten zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Ein solcher gehört vor die ordentlichen Gerichte.

 

Die Revision wegen Nichtigkeit war somit zu verwerfen.

 

Zur Rechtsrüge:

 

Aufgrund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts allseitig zu prüfen. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch auf ihr Eigentumsrecht, ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf die Verletzung von Schutzgesetzen.

 

Zum behaupteten Eigentumseingriff:

 

Das Berufungsgericht hat im Gefolge von Kodek, Besitzstörung 298, dadurch, dass das Aus- und Einfahren für die Klägerin erheblich erschwert oder gefährlich werde, eine Besitzstörung durch den Beklagten und somit auch einen Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin bejaht.

 

Diesen Ausführungen ist Folgendes zu entgegnen: Gem § 24 Abs 3 lit b StVO ist das Parken vor Haus- und Grundstückseinfahrten verboten. Nach den ErlBem zur StVO kann von einer Hauseinfahrt nicht gesprochen werden, wenn die Randsteine des Gehsteigs vor einem Haustor nicht abgeschrägt sind. Das Parkverbot gem § 24 Abs 3 lit b StVO gelte nur auf die Breite und nur unmittelbar vor der Einfahrt.

 

Da nach den Feststellungen das Wohnmobil des Beklagten nicht in den Bereich des abgeschrägten Gehsteigs im Bereich der Zufahrt zum Stellplatz bzw zur Garage der Klägerin hineinragte, hat der Beklagte somit nicht gegen § 24 Abs 3 lit b StVO verstoßen. Trüge sein Wohnmobil ein behördliches Kennzeichen, wäre es an der festgestellten Stelle rechtmäßig geparkt. Nach Kodek, Besitzstörung 300, stellt ein nach der StVO zulässiges Parken, auch wenn dieses zwangsläufig Auswirkungen auf die Parkmöglichkeiten anderer Fahrzeuge hat, jedenfalls keine Besitzstörung dar.

 

Unter Besitzstörung versteht man jede tatsächliche Beeinträchtigung der Herrschaft. Da aber die tatsächliche Beeinträchtigung unabhängig davon ist, ob ein dort abgestelltes Wohnmobil ein Kennzeichen trägt oder nicht, folgt daraus, dass der Beklagte durch sein Abstellen an der festgestellten Stelle den Besitz der Klägerin nicht gestört hat. Daher liegt auch der vom Berufungsgericht aufgrund einer Besitzstörung bejahte Eingriff in das „entsprechende“ Eigentum der Klägerin nicht vor. Auf einen Eigentumseingriff kann der Unterlassungsanspruch somit nicht gegründet werden.

 

Zur behaupteten Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Klägerin:

 

Soweit sich das Berufungsgericht auf die Ausführungen von Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1294 Rz 26, und die Entscheidung des LG Innsbruck, ZVR 1998/36, stützt, wird Folgendes erwogen:

 

Reischauer führt weiter aus, für eine Unterlassungsklage im Straßenverkehr müsse - wie auch sonst - eine konkrete Gefährdung der körperlichen Integrität oder sonstiger absoluter Rechtsgüter einer bestimmten Person durch denselben Gefährder drohen.

 

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein von der Rechtsordnung als absolut anerkanntes Persönlichkeitsrecht. Es gibt eine allgemeine Rechtspflicht, niemanden in seiner Sicherheit zu gefährden. Die Gefährdung absolut geschützter Rechte ist grundsätzlich verboten. Das Persönlichkeitsrecht auf körperliche Unversehrtheit löst individuelle zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere einen Unterlassungsanspruch aus.

 

Wer also von einem anderen in seiner körperlichen Integrität konkret gefährdet wird oder wem eine solche Gefährdung droht, hat gegen den Gefährdenden bei Wiederholungsgefahr einen Unterlassungsanspruch. Nur darauf gestützt hat das LG Innsbruck in der Entscheidung ZVR 1998/36 den Unterlassungsanspruch des klagenden Radfahrers bejaht, der vom beklagten Busfahrer wiederholt in einem zu knappen und daher gefährdenden Seitenabstand überholt bzw „geschnitten“ wurde. Hier war die unmittelbare konkrete Gefährdung der körperlichen Integrität des Klägers evident, weshalb entsprechend der zitierten Rsp dem Unterlassungsbegehren stattgegeben wurde, ohne dass ein allfälliger Verstoß gegen Gebote oder Verbote der StVO geprüft werden musste.

 

Im vorliegenden Fall liegt eine dem Fall von ZVR 1998/36 vergleichbare konkrete Gefährdung der körperlichen Integrität der Klägerin durch das geparkte Wohnmobil nicht vor, weshalb darauf ein Unterlassungsanspruch nicht erfolgreich gestützt werden kann.

 

Zur behaupteten Verletzung von Schutzgesetzen durch den Beklagten:

 

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Parken seines Wohnmobils an der festgestellten Stelle, für die die Bewilligung nicht erteilt wurde, ohne Kennzeichentafeln gem § 82 Abs 2 StVO verboten. Der Beklagte hat daher durchaus rechtswidrig gehandelt.

 

Gem § 82 Abs 1 StVO ist für die Benützung von Straßen zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs eine Bewilligung erforderlich. Die §§ 82 und 83 StVO sind Schutznormen iSd § 1311 ABGB, deren Zweck der Schutz der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs ist.

 

Zunächst ist hier zu bedenken, dass ja dieselbe Sichtbehinderung auch vorläge, wenn das Wohnmobil des Beklagten mit einer Kennzeichentafel versehen und daher dort rechtmäßig geparkt wäre.

 

Ob hier der Rechtswidrigkeitszusammenhang gegeben ist, kann aber letztlich dahingestellt bleiben: Selbst wenn man den Rechtswidrigkeitszusammenhang bejahte, könnte die Klägerin zwar im Schadensfall allenfalls einen auf § 82 Abs 2 StVO iVm § 1311 ABGB gestützten Schadenersatzanspruch geltend machen. Für einen Unterlassungsanspruch eines Verkehrsteilnehmers gegen einen anderen aufgrund dessen Verstoßes gegen eine Vorschrift der StVO fehlt aber eine Anspruchsgrundlage. So meint auch Reischauer zutreffend, mit der Unterlassungsklage könne nicht die Einhaltung der StVO schlechthin gegen Beliebige erzwungen werden. Als Popularklage tauge sie nicht.

 

Die Ahndung von Verstößen gegen die StVO steht somit grundsätzlich den Verwaltungsbehörden, nicht aber Privaten im Weg der Unterlassungsklage zu.