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05.11.2012 Strafrecht

OGH: Verletzung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen – Täter nach § 11 UWG (iZm Vergabeverfahren)

Der Tatbestand des § 11 UWG hat auch typische Fälle der Förderung fremden Wettbewerbs im Blick; für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs iSd § 11 UWG genügt die Förderung der Wettbewerbsposition eines von mehreren Mitbietern in einem Vergabeverfahren


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Verletzung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, Täter, Vergabeverfahren, Förderung fremden Wettbewerbs, Mitbieter
Gesetze:

§ 11 UWG

GZ 12 Os 38/12y [1], 28.08.2012

 

OGH: Täter nach § 11 UWG ist, wer als Bediensteter eines Unternehmens Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt anderen zu Zwecken des Wettbewerbs mitteilt (Abs 1), sowie derjenige, der Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, deren Kenntnis er durch eine der im Abs 1 leg cit bezeichneten Mitteilungen oder durch eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat, zu Zwecken des Wettbewerbs unbefugt verwertet oder an andere mitteilt (Abs 2). Zur Privatanklage legitimiert ist der Verletzte (Abs 3).

 

Das von § 11 UWG vorausgesetzte „Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs“ lässt nach langjähriger LuRsp genügen, dass der Störer (Täter) mit der Intention handelt, nicht eigenen, sondern fremden Wettbewerb zu fördern.

 

Dies entspricht bereits der Intention des historischen Gesetzgebers, wonach die Absicht des Täters nicht zwingend auf die Schädigung des Wettbewerbs des Dienstgebers gerichtet sein musste, wenn doch der Wettbewerb eines anderen gefördert oder dem Dienstgeber Schaden zugefügt werden sollte.

 

Der Tatbestand des § 11 UWG hat - was die Verteidiger in ihren Äußerungen zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verkennen - vielmehr auch typische Fälle der Förderung fremden Wettbewerbs im Blick. Schon nach seinem Wortlaut genügt es, dass die Geheimnisse anderen Personen zu Zwecken des Wettbewerbs - und nicht bloß an Mitbewerber - mitgeteilt werden.

 

Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs“ ist aber auch der schon seit Jahrzehnten vollzogene Funktionswandel im Lauterkeitsrecht zu berücksichtigen, wonach nunmehr Schutzsubjekte nicht ausschließlich die Interessen der Mitbewerber, sondern auch jene der Verbraucher und der Allgemeinheit sind („Schutzzwecktrias“). Schutzobjekt ist der lautere, unverfälschte Leistungswettbewerb.

 

Bei einem Vergabeverfahren, in welchem der Täter auf die Wettbewerbssituation eines im Wettbewerbsverhältnis stehenden Mitbieters durch die Verschaffung eines Informationsvorteils Einfluss nimmt, wird die Marktsituation (zumindest) potentiell beeinflusst und damit in den objektiven Leistungswettbewerb eingegriffen. An einem unbeeinflussten Konkurrenzverhältnis zwischen den Bietern ist aber sowohl die Marktgegenseite (der Konsument bzw - hier - die vergebende Stelle) zur Erlangung bestmöglicher und vergleichbarer Angebote, aufgrund derer sie wirtschaftlich optimale Entscheidungen treffen kann, als auch ein Mitbieter im Interesse seiner Konkurrenzfähigkeit und demzufolge die Allgemeinheit zur Erhaltung eines funktionierenden Markts angewiesen.

 

Da für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs iSd § 11 UWG die Förderung der Wettbewerbsposition eines von mehreren Mitbietern in einem Vergabeverfahren genügt, war die Verneinung des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs verfehlt.