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05.11.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: § 337 BVergG 2006 – zum Anspruch auf Ersatz der Kosten der Nichtigerklärung einzelner Ausschreibungsbedingungen im Vergabeverfahren, wenn im Nachprüfungsverfahren nur die Rechtswidrigkeit einer von mehreren bekämpften Ausschreibungsbedingungen festgestellt wurde

Werden Vertretungskosten im Feststellungsverfahren nach Zuschlagserteilung geltend gemacht, dann handelt es sich bei den aufgelaufenen Bearbeitungs-, Teilnahme- und Vertretungskosten um Kosten zur (zwingenden) Vorbereitung der nachfolgenden Prozessführung, die den den Kostenersatz regelnden §§ 40 ff ZPO unterworfen sind; liegt ein Feststellungsbescheid über ein vergaberechtswidriges Verhalten vor, so muss der Bieter nicht beweisen, dass er ohne das rechtswidrige Vergabekriterium den Zuschlag erhalten hätte; ist die Gegenfeststellung im Feststellungsbescheid nicht erfolgt, besteht Anspruch auf Schadenersatzerfüllt; erfüllt ein Bewerber oder Bieter eine gesetzmäßige Forderung einer Ausschreibung nicht, so kann er sich bei der Geltendmachung des Ersatzes der Teilnahmekosten nicht darauf berufen, dass er die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens des Auftraggebers nicht nachweisen muss, weil nicht feststeht, dass er wegen einer anderen, rechtswidrigen Forderung keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte


Schlagworte: Vergaberecht, Schadenersatzansprüche, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Nichtigerklärung einzelner Ausschreibungsbedingungen
Gesetze:

§ 337 BVergG 2006

GZ 7 Ob 101/12x [1], 26.09.2012

 

OGH: Das BVergG räumte und räumt dem übergangenen Bewerber oder Bieter einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren ein (§ 181 Abs 1 BVergG 2002, § 338 Abs 1 BVergG 2006 aF, § 337 Abs 1 BVergG nF).

 

Die Kosten eines auf Nichtigerklärung einer vergaberechtswidrigen Ausschreibung gerichteten Verfahrens dienen typischerweise dazu, die Ausschreibung zu beseitigen und die ausschreibende Stelle zu einer gesetzmäßigen (neuen) Ausschreibung zu verhalten. Ist evident, dass bestimmte kostenverursachende Maßnahmen in erster Linie einen anderen Zweck verfolgen als die Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens, so steht deren Geltendmachung als materiell-rechtliche Schadenersatzforderung auch nicht entgegen, dass das Ergebnis einer Maßnahme gegebenenfalls auch eine spätere Prozessführung fördern kann. Werden hingegen Vertretungskosten im Feststellungsverfahren nach Zuschlagserteilung geltend gemacht, dann handelt es sich bei den aufgelaufenen Bearbeitungs-, Teilnahme- und Vertretungskosten um Kosten zur (zwingenden) Vorbereitung der nachfolgenden Prozessführung, die den den Kostenersatz regelnden §§ 40 ff ZPO unterworfen sind; für diese Kosten steht der ordentliche Rechtsweg nicht offen und damit ist eine Klagsführung unzulässig. Auch im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass die Vertretungskosten im Feststellungsverfahren nach Zuschlagserteilung nicht zu den Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren gehören und es sich dabei um vorprozessuale Kosten handelt.

 

Auf den Einwand der Klägerinnen, man dürfe, selbst wenn man die Rechtsansicht des Berufungsgerichts teile, nicht auf die Erteilung des Zuschlags, sondern müsse auf dessen Veröffentlichung abstellen, ist nicht weiter einzugehen, weil nicht erkennbar ist, dass den Klägerinnen zwischen der Zuschlagserteilung und der Veröffentlichung Kosten entstanden sind.

 

Das Berufungsgericht hat daher zu Recht die Klage, soweit sie sich auf den Ersatz von Vertretungskosten nach Zuschlagserteilung bezogen hat, wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.

 

§ 337 Abs 3 BVergG 2006 nF lässt alternativ zu dem oben dargelegten Kostenersatzanspruch den Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zu. In den Vorgängerbestimmungen (§ 338 Abs 1 BVergG 2006 aF und § 181 Abs 1 BVergG 2002) wurde geregelt, dass weiter gehende, jedoch nur alternativ zustehende Schadenersatzansprüche des übergangenen Bieters nach anderen Rechtsvorschriften davon nicht berührt werden. Das BVergG lässt also nur alternativ Ansprüche auf Schadenersatz nach anderen Rechtsvorschriften zu. Wie sich auch aus den Materialien zum BVergG 2002 ergibt, ist der Anspruch auf Ersatz der Teilnahmekosten im BVergG abschließend geregelt. Es besteht insoweit keine Anspruchskonkurrenz mit dem allgemeinen Schadenersatzrecht des ABGB, wie culpa in contrahendo. Abgesehen davon ist, wie auch in der Vorentscheidung 7 Ob 129/11p dargelegt, für die Einklagung eines Schadenersatzanspruchs der die Rechtswidrigkeit feststellende Bescheid der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde Prozessvoraussetzun, sodass  - wie bereits ausgeführt - die Kosten nach Zuschlagserteilung vorprozessuale Kosten sind. Es hat insoweit bei der Klagszurückweisung zu bleiben.

 

Zum Rekurs der Beklagten:

 

Was das übrige Begehren der Klägerinnen auf Ersatz der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren betrifft, ist auszuführen, dass durch die oben genannten Bestimmungen des BVergG eine Anspruchsgrundlage eigener Art geschaffen wird, weil vom Bewerber oder Bieter der Nachweis der Kausalität zwischen dem vergaberechtswidrigen Verhalten des Auftraggebers und dem Schaden durch Aufwendung von Teilnahmekosten nicht verlangt wird. Der Anspruch steht schon zu, wenn vom Bundesvergabeamt nicht festgestellt wird, dass der Bewerber oder Bieter auch bei Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte. Liegt also ein Feststellungsbescheid über ein vergaberechtswidriges Verhalten vor, so muss der Bieter nicht beweisen, dass er ohne das rechtswidrige Vergabekriterium den Zuschlag erhalten hätte. Ist die Gegenfeststellung im Feststellungsbescheid nicht erfolgt, besteht Anspruch auf Schadenersatz.

 

Zu bedenken ist im vorliegenden Fall aber, dass die Klägerinnen nach den Feststellungen zwei Forderungen der Ausschreibung nicht erfüllten, aber nur hinsichtlich einer feststeht, dass sie rechtswidrig war („Baumeisterbefugnis“). Hinsichtlich der Forderung „Exportgenehmigung“ lag im erstinstanzlichen Verfahren kein Bescheid vor, der eine Rechtswidrigkeit festgestellt hätte. Mittlerweile hat der VwGH die die Frage der Exportgenehmigung betreffende Beschwerde der Klägerinnen zurückgewiesen. Wenn man sich das rechtswidrige Verhalten des Beklagten (Forderung nach einer „Baumeisterbefugnis“) wegdenkt, so entfällt dadurch auch der Schaden, weil die Klägerinnen die Forderung nach der „Exportgenehmigung“ nicht erfüllen konnten. Es fehlt die Kausalität. Die Bestimmungen des BVergG sollen nach ihrem Sinn und Zweck nur jene Bewerber oder Bieter durch die oben dargelegte Beweiserleichterung begünstigen, die alle bis auf die rechtswidrigen Forderungen der Ausschreibung erfüllen können. Es ist nämlich der Nachweis schwierig zu erbringen, dass man als Mitbewerber unter Außerachtlassung der rechtswidrigen Forderungen den Zuschlag erhalten hätte. Wenn aber der Bewerber nicht alle gesetzmäßigen Forderungen der Ausschreibung erfüllt, liegt es ohne weiteres auf der Hand, dass er - aus einem anderen Grund als der Rechtswidrigkeit einer der Forderungen - nicht als Bestbieter zum Zug gekommen wäre, dass also das rechtswidrige Verhalten für den Eintritt des Schadens nicht kausal war. Erfüllt ein Bewerber oder Bieter eine gesetzmäßige Forderung einer Ausschreibung nicht, so kann er sich bei der Geltendmachung des Ersatzes der Teilnahmekosten nicht darauf berufen, dass er die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens des Auftraggebers nicht nachweisen muss, weil nicht feststeht, dass er wegen einer anderen, rechtswidrigen Forderung keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte.

 

Die Richtigkeit des Bescheids des Bundesvergabeamts vom 14. 7. 2006 (soweit der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Erfordernisses „gültige Exportgenehmigung“ abgewiesen wurde) ist vom Gericht nicht zu prüfen:

 

Wie bereits in der Vorentscheidung 7 Ob 129/11p dargelegt, ist eine Schadenersatzklage nur dann zulässig, wenn zuvor eine Feststellung der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde erfolgt ist, dass ein Vergabeverstoß vorliegt (§ 184 Abs 3 BVergG 2002, § 341 Abs 4 BVergG 2006). Das Gericht und die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesvergabeamt sind an solche Feststellungen gebunden, außer das Gericht hält den (positiven) Feststellungsbescheid, dass eine Gesetzwidrigkeit vorliegt, für rechtswidrig. In diesem Fall hat das Gericht nach § 341 Abs 4 BVergG 2006 beim VwGH Beschwerde zu erheben. Der Sinn der Bestimmung liegt darin, dass bei einem positiven, eine Prozessvoraussetzung darstellenden Bescheid das Gericht nicht daran gebunden sein soll, wenn er rechtswidrig ist, weil er naturgemäß vom Schadenersatz fordernden Kläger nicht bekämpft wird. Wird hingegen der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Forderung in einer Ausschreibung abgewiesen, so steht es dem Bewerber oder Bieter frei, diese Entscheidung im Verwaltungsweg zu bekämpfen, liegt es doch an ihm, die Prozessvoraussetzung für eine Schadenersatzklage zu schaffen. Für eine amtswegige Beschwerde hinsichtlich eines Bescheids, der keine Rechtswidrigkeit feststellt, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Eine analoge Anwendung der betreffenden Bestimmungen der BVergG auf den Fall, dass die Vergabekontrollbehörde dem Antrag eines Bewerbers auf Feststellung eines bestimmten Vergabeverstoßes abweist, kommt nicht in Betracht. Es besteht kein Erfordernis, dem Gericht auch in einem solchen Fall eine Beschwerdelegitimation einzuräumen.