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19.11.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Anwaltshaftung (hier: Kosten eines Strafverfahrens (Verdacht auf Versicherungsbetrug), die auf Grund einer unterlassenen Zeugeneinvernahme im Zivilverfahren gegen Kfz-Haftpflichtversicherer verursacht wurden)

Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Rechtsanwaltshaftung, Sorgfaltsmaßstab, unterlassene Zeugeneinvernahme im Zivilverfahren, Kosten des Strafverfahrens, adäquat ursächlich, Anzeigepflicht
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 78 StPO

GZ 2 Ob 208/12w [1], 25.10.2012

 

Im nunmehrigen Haftungsprozess macht der Kläger den Schaden geltend, der ihm dadurch, dass sein seinerzeitiger Vertreter im Vorprozess die Einvernahme seiner Eltern und seiner Freundin als Zeugen für die Vorschadensfreiheit seines Kfz nicht beantragt hat, erwachsen sei. Hätte sein damaliger Vertreter diesen Beweisantrag gestellt, so hätte der Kläger im Vorprozess nicht nur in einem höheren Ausmaß (samt entsprechenden Kostenfolgen) obsiegt, sondern wäre auch die Strafanzeige und das Strafverfahren unterblieben, weshalb ihm auch die dadurch verursachten Kosten nicht entstanden wären.

 

Das Berufungsgericht ließ die Revision aus folgendem Grund zu: Eine erhebliche Rechtsfrage liege vor, weil die Ansicht vertreten werden könnte, dass objektiv nicht damit zu rechnen sei, ein der Bestimmung des § 78 StPO (§ 84 StPO aF) verpflichtetes Entscheidungsorgan werde seine Anzeige an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat einer Partei von der Anmeldung einer Berufung in seinem Verfahren abhängig machen. Bei dieser Rechtsauffassung würde die Beklagte nicht für die Kosten des Klägers im Strafverfahren haften.

 

OGH: Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und der Lösung dieser Frage keine über den Anlassfall hinausgehende und daher keine erhebliche Bedeutung iSd angeführten Gesetzesstelle zukommt. Adäquitätsfragen sind daher nur dann revisibel, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruht.

 

Hier geht es nicht um die Frage, ob die dargestellte - bedenkliche - Vorgangsweise der Erstrichterin im Vorprozess, die Berufungsanmeldung (weil „frech“) zum Anlass einer Strafanzeige zu machen, für den eingetretenen Schaden der Kosten des Strafverfahrens adäquat ursächlich ist. Es geht vielmehr darum, ob die dargestellte Unterlassung der Beklagten als Vertreterin des Klägers im Vorprozess den Verdacht gegen den Kläger wegen Betrugsversuchs und somit die Strafanzeige und die daraus resultierenden Kosten adäquat verursacht hat oder nicht. Dies haben die Vorinstanzen durchaus vertretbar und daher nicht korrekturbedürftig bejaht.

 

Auch die Revisionswerberin hat keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen:

 

Sie sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, ob ein sorgfältig handelnder Rechtsanwalt im Zivilverfahren einen Zeugenbeweis für die Vorschadensfreiheit eines Fahrzeugs anbieten muss, um eine (allfällige) Strafanzeige durch den erkennenden Richter abzuwenden, der eine Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft nur wegen eines (angenommenen) Verdachts auf Prozessbetrug von der Anmeldung einer Berufung in seinem Verfahren abhängig gemacht hat.

 

Damit hat die Revisionswerberin nur die ganz konkreten Sachverhaltselemente des vorliegenden Einzelfalls angeführt, die über diesen hinaus für die allgemeine Frage des Sorgfaltsmaßstabs eines Rechtsanwalts keine Relevanz haben.