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03.12.2012 Zivilrecht

OGH: Wachkoma – Scheidung wegen Geisteskrankheit gem § 51 EheG?

Ein Ehegatte kann die Scheidung begehren, wenn der andere geisteskrank ist, die Krankheit einen solchen Grad erreicht hat, dass die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben ist, und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft nicht erwartet werden kann; apallisches Syndrom (Wachkoma) erfüllt diesen Scheidungsgrund


Schlagworte: Eherecht, Scheidung wegen Geisteskrankheit, Wachkoma
Gesetze:

§ 51 EheG

GZ 1 Ob 132/12m [1], 11.10.2012

 

Die Ehefrau ist seit dem Jahr 2003 an einem apallischen Syndrom als Folge einer schweren Schädigung des Gehirns erkrankt. Sie ist wach, aber ohne Bewusstseinsinhalte. Ihr fehlen emotionale Reaktionen. Lediglich die grundlegenden Lebensfunktionen wie Atmung, Kreislauf, Verdauung etc werden durch das vegetative Nervensystem aufrecht erhalten. Alle „höher liegenden Leistungen“ sind aber ausgeschlossen. Eine Änderung des Zustandes ist nicht zu erwarten.

 

OGH: Voraussetzung für eine Scheidung wegen Geisteskrankheit ist die unheilbare Aufhebung der geistigen Gemeinschaft zwischen den Ehegatten als Folge einer Erkrankung des Ehepartners. Das ist der Fall, wenn der Ehepartner wegen seiner Erkrankung weder fähig und willens ist, am Lebens- und Gedankenkreis des anderen teilzunehmen, Vorgänge in der Familie zu erfassen und seelisch darauf zu reagieren, noch in der Lage ist, einer solchen Anteilnahme aktiv Ausdruck zu verleihen. Der Begriff Geisteskrankheit ist dabei nicht streng medizinisch zu verstehen. Entscheidend ist, dass eine geistige Störung – organischen oder nichtorganischen Ursprungs – vorliegt, die eine Wiederherstellung der geistigen Gemeinschaft der Eheleute nicht erwarten lässt.

 

Bei der Ehefrau ist als Folge einer schweren Schädigung des Gehirns die Fähigkeit verloren gegangen, am Ehe- und Familienleben Anteil zu nehmen. Das bei ihr vorliegende Krankheitsbild (apallisches Syndrom) erfüllt daher den Scheidungsgrund der Geisteskrankheit.