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03.12.2012 Strafrecht

OGH: Berechnung des Stichtags für eine bedingte Entlassung gem § 46 StGB – hat der bereits vor dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes (§ 133a StVG) verbüßte Strafteil außer Betracht zu bleiben?

Die Rechtsauffassung, wonach bei der Berechnung der Stichtage für eine bedingte Entlassung der bereits vor dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug verbüßte Strafteil außer Betracht zu bleiben hätte, findet im Gesetz hingegen keine Deckung


Schlagworte: Bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe, Strafzeit, vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes
Gesetze:

§ 46 StGB, § 1 Z 5 StVG, § 133a StVG

GZ 11 Os 80/12t [1], 21.08.2012

 

OGH: Das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG ist kein Unterfall der bedingten Entlassung, sondern ein Rechtsinstitut sui generis, das nicht an sonstige Bedingungen, wie etwa eine neuerliche Verurteilung geknüpft ist. Kommt der Verurteilte seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder kehrt er während der Dauer des Aufenthaltsverbots in das Bundesgebiet zurück, ohne im Besitz einer Wiedereinreisebewilligung zu sein, ist er von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wieder in Haft zu nehmen und in die nächstgelegene Justizanstalt einzuliefern (vgl § 133a Abs 5 letzter Satz StVG). Der Strafvollzug ist (ohne dass es einer gerichtlichen Beschlussfassung bedarf) von der Vollzugsbehörde unter Neuberechnung der Strafzeit ex lege fortzusetzen.

 

§ 1 Z 5 StVG definiert die Strafzeit als jene Zeit, die der Verurteilte aufgrund eines Strafurteils oder mehrerer nacheinander zu vollziehender Strafurteile in Strafhaft zuzubringen hat. Ein Vorgehen nach § 133a StVG entspricht einer Unterbrechung der Strafzeit, sodass die vor einem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots verbüßte Strafzeit bei neuerlicher Festnahme infolge unerlaubter Wiedereinreise bei der Strafzeitberechnung anzurechnen ist. Wie im Falle eines nachträglichen Aufschubs des Strafvollzugs wegen Vollzugsuntauglichkeit gem § 133 StVG ist für die Berechnung der zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung die Gesamtdauer der Strafzeit (§ 1 Z 5 StVG) maßgebend. Dass im Fall des Widerrufs einer bedingten Entlassung der noch unverbüßt aushaftende Strafrest der Entscheidung über die (zulässige) neuerliche bedingte Entlassung zu Grunde zu legen ist, steht dieser Rechtsansicht mit Blick auf die Anordnung des Vollzugs durch ein Gericht (§ 53 Abs 1 oder Abs 2 StGB) nicht entgegen. Die Rechtsauffassung, wonach bei der Berechnung der Stichtage für eine bedingte Entlassung der bereits vor dem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug verbüßte Strafteil außer Betracht zu bleiben hätte, findet im Gesetz hingegen keine Deckung und verkennt va auch den kriminalpolitischen Sinn des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots, nämlich den österreichischen Strafvollzug zu entlasten. Die Rückkehr trotz Aufenthaltsverbots wird ausschließlich durch die Fortsetzung des Strafvollzugs sanktioniert.