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10.12.2012 Zivilrecht

OGH: Haftung bei Körperverletzung eines Fußballspielers

Das Zurückschlagen des Schädigers mit geöffneter Handfläche mit dem einzigen Zweck, sich gegen das Zurückgehaltenwerden zu wehren und vom Geschädigten loszureißen, ist als sozialadäquates Verhalten anzusehen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Körperverletzung eines Fußballspielers, sozialadäquates Verhalten
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 8 Ob 111/12z [1], 24.10.2012

 

OGH: Zutreffend, und vom Revisionswerber auch gar nicht in Zweifel gezogen, haben die Vorinstanzen die stRsp des OGH dargestellt, wonach Handlungen oder Unterlassungen im Zug sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig sind, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern. Bei Körperverletzungen im Kampfsport ist es selbst dann, wenn sie durch Verstöße gegen Spielregeln verursacht wurden, Sache des verletzten Sportlers, jene Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Schädigers ergibt. Ob der konkrete Unfallshergang die Beurteilung rechtfertigt, dass das Verhalten des Schädigers über einen bei einem Kampf um den Ball im Zuge eines Fußballspiels immer wieder vorkommenden typischen Regelverstoß hinausgeht, hängt aber von den jeweiligen besonderen Umständen des konkreten Falls ab und begründet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage. An dieser Einzelfallbezogenheit ändert auch der vom Revisionswerber ins Treffen geführte Umstand nichts, dass es an einer Rsp des OGH zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, schließen doch Besonderheiten der Fallgestaltung eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des OGH sogar eher aus. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Beklagte in seiner Revision nicht auf.

 

Bei einem Fußballmeisterschaftsspiel bekam der Beklagte halb links im Mittelfeld den Ball und hatte die Möglichkeit, mit einem schnellen Tempodribbling zum gegnerischen Tor zu laufen. Der Kläger lief über einige Meter hinter ihm her und hielt ihn am Trikot zurück. Der Beklagte, dessen Mannschaft im Rückstand war, wollte die Torchance wahren und versuchte, sich im Lauf loszureißen. Ohne sich umzudrehen oder zurückzuschauen und ohne zu zielen, schlug der Beklagte, im Bemühen, sich loszureißen, mit geöffneter Handfläche nach hinten aus. Er traf dabei den im Laufen nach vorn gebeugten Kläger an den Schneidezähnen mit der Außenseite des Unterarms im Bereich des Außenknöchels, wodurch der Kläger an den beiden oberen Schneidezähnen verletzt wurde. All dies geschah im Zug einer einheitlichen Spielaktion, während derer der Ball im Spiel war. Das Spiel wurde durch den Foul-Pfiff des Schiedsrichters unterbrochen, der das Zurückhalten des Klägers ahndete. Der Beklagte wurde in weiterer Folge wegen Foul-Spiels ausgeschlossen.

 

Ausgehend von diesem Sachverhalt kann von einer unvertretbaren, die Zulässigkeit der Revision rechtfertigenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das ebenso wie bereits das Erstgericht die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten im konkreten Fall verneinte, keine Rede sein. Die Behauptungen des Revisionswerbers, der Beklagte habe mit der Hand auf Kopfhöhe nach hinten geschlagen und dabei den Beklagten mit der Handfläche an den Schneidezähnen getroffen, weichen in unzulässiger Weise von den Feststellungen ab. Er übersieht, dass er selbst in regelwidriger Weise den Beklagten am Trikot zerrte und beim Laufen überdies den Kopf nach vorn gebeugt hielt, wodurch ihn der Beklagte - ohne Absicht - mit der Außenseite des Unterarms überhaupt an den Zähnen treffen konnte. Es steht fest, dass es beim Fußballspiel regelmäßig vorkommt, dass sich ein Spieler, der gehalten wird, versucht loszureißen. Das Berufungsgericht, das das Zurückschlagen des Beklagten mit geöffneter Handfläche mit dem einzigen Zweck, sich gegen das Zurückgehaltenwerden zu wehren und vom Kläger loszureißen, hier als sozialadäquates Verhalten ansah, hat damit den zu beurteilenden Fall in vertretbarer Weise gelöst, sodass die Revision als unzulässig zurückzuweisen ist.