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14.01.2013 Zivilrecht

OGH: Fremdhändiges Testament iSd § 579 ABGB – zur Frage, ob dann, wenn vor dem Erblasser von den Anwesenden bzw den Zeugen offen über das zu unterschreibende Testament gesprochen wird, die vor den Testamentszeugen erfolgte Unterfertigung durch den Erblasser als Bekräftigung genügt

Der bloße subjektive Eindruck der Testamentszeugen, ob das Schriftstück den letzten Willen des Testators enthält, ist für sich unerheblich, solange dieser Eindruck nicht durch ein bestimmtes Verhalten des Testators vermittelt wird


Schlagworte: Erbrecht, fremdhändiges Testament, Nuncupatio
Gesetze:

§ 579 ABGB

GZ 5 Ob 185/12k [1], 20.11.2012

 

OGH: Die in § 579 ABGB geforderte Nuncupatio ist ein selbständiges Solennitätserfordernis, welches nicht schon durch die Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung erfüllt wird. Der bloße subjektive Eindruck der Testamentszeugen, ob das Schriftstück den letzten Willen des Testators enthält, ist für sich unerheblich, solange dieser Eindruck nicht durch ein bestimmtes Verhalten des Testators vermittelt wird. Die Anforderungen an die Ausdrücklichkeit der Nuncupatio sind (auch) im Hinblick auf ihren Zweck, das Unterschieben einer vom Testator nicht gewollten letztwilligen Verfügung zu verhindern, streng zu prüfen.

 

Es steht nicht fest, dass sich die Erblasserin in irgendeiner Weise am Gespräch darüber beteiligt hätte, wonach die Unterfertigung ihres Testaments bevorstehe. Es steht auch nicht fest, dass die Erblasserin während des gesamten Vorgangs der Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung auch nur irgendein Wort geäußert hat, welches sich auf den Inhalt dieser Verfügung und dessen Übereinstimmung mit ihrem letzten Willen bezogen hätte. Der den Testamentszeuginnen von der Erblasserin nach der Unterfertigung ausgesprochene Dank ist dann auch unter der gebotenen Berücksichtigung der Umstände des Gesamtvorgangs keine Verhaltensweise, die „als allgemein angenommene Zeichen“ (iSd § 863 ABGB) für eine wirksame Nuncupatio ausreichen könnte.