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04.02.2013 Zivilrecht

OGH: Möglichkeit der Prüfung nach § 864a ABGB im Verbandsprozess gem § 28 KSchG?

Auch § 864a ABGB kann als Grundlage für eine Klage nach § 28 KSchG herangezogen werden


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Verbandsklage, gröbliche Benachteiligung
Gesetze:

§ 28 KSchG, § 864a ABGB, § 879 Abs 3 ABGB

GZ 4 Ob 164/12i [1], 17.12.2012

 

OGH: Die Verbandsklage nach § 28 KSchG kann nach stRsp auch gegen Klauseln gerichtet werden, die unter § 864a ABGB fallen. Das ist zwar nicht selbstverständlich, weil sich § 28 KSchG nach seinem Wortlaut nur auf gesetz- oder sittenwidrige Klauseln bezieht, während § 864a ABGB die vorgelagerte Frage betrifft, ob eine bestimmte Klausel überhaupt Vertragsinhalt wird. Allerdings erfordert der Zweck des § 28 KSchG eine Gleichbehandlung: Der Gesetzgeber wollte mit § 864a ABGB ein Instrument schaffen, mit dem überraschende und für den Verbraucher nachteilige Klauseln effektiver als zuvor bekämpft werden können. Aus seiner Sicht sind derartige Klauseln daher ebenso unerwünscht wie solche, die unter § 879 Abs 3 ABGB oder § 6 KSchG fallen. Das spricht für die Möglichkeit, auch solche Klauseln mit Verbandsklage zu bekämpfen.

 

Aus diesen Gründen hält der Senat daran fest, dass auch § 864a ABGB als Grundlage für eine Klage nach § 28 KSchG herangezogen werden kann. Allerdings wäre dabei wohl zu beachten, dass § 864a ABGB überraschende und nachteilige Klauseln nicht generell missbilligt, sondern nur dann, wenn der Verwender den anderen Vertragsteil nicht besonders darauf hingewiesen hat. Damit reicht diese Bestimmung weniger weit als § 879 Abs 3 ABGB oder § 6 Abs 1 oder Abs 3 KSchG, bei denen eine solche Sanierung durch besonderen Hinweis nicht möglich ist. Das ist systemkonform, weil ein besonderer Hinweis im Einzelfall das für § 864a ABGB konstitutive Überraschungselement wegfallen lässt. § 864a ABGB missbilligt daher nicht schon die Aufnahme überraschender und nachteiliger Klauseln in AGB als solche, sondern erst die konkrete Verwendung solcher AGB ohne besonderen Hinweis auf die jeweilige Klausel.

 

Dies müsste, worauf wiederum Krejci hinweist, Konsequenzen für die Reichweite des Unterlassungsanspruchs nach § 28 KSchG haben. Der Beklagten ist es nicht generell verwehrt, in ihren Geschäftsbedingungen überraschende und für den Vertragspartner (schlicht) nachteilige Klauseln vorzusehen; sie hat dies nur zu unterlassen, soweit sie nicht im konkreten Fall - nämlich beim Abschluss des jeweiligen Vertrags - besonders auf diese Klauseln hinweist und ihnen so den Überraschungscharakter nimmt. Darauf müsste wohl auch im Spruch Bedacht genommen werden. Das hätte weitreichende Folgen, weil die Beklagte damit nicht zur Änderung ihrer AGB sondern nur dazu verpflichtet wäre, diese nur zusammen mit einem besonderen Hinweis auf die beanstandete Klausel zu verwenden.

 

Ob dies zutrifft, kann hier jedoch offen bleiben.