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12.02.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Berechnung der Urlaubsersatzleistung im Fall von Teilzeitbeschäftigten, die während des laufenden Urlaubsjahrs in eine Vollzeitbeschäftigung wechseln

Das für Vollzeitbeschäftigte nach dem UrlG geltende Urlaubsausmaß in Wochen ist zur Ermittlung des Urlaubsanspruchs von Teilzeitbeschäftigten mit der Anzahl der Arbeitstage pro Woche zu multiplizieren; auf die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden kommt es nicht an; vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bei aufrechtem Dienstverhältnis eine Hinaufsetzung der wöchentlichen Zahl von Arbeitstagen, dann ist ein aus der vorangegangenen Teilzeitphase stammendes unverbrauchtes Urlaubsguthaben aliquot aufzuwerten; zum Änderungsstichtag bereits verbrauchte Urlaubstage sind ebenfalls aufgewertet vom Gesamtanspruch abzuziehen; bei tageweisem Urlaubsverbrauch durch Arbeitnehmer mit einer Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Woche auf eine geringere Anzahl an Arbeitstagen ändert sich im gleichen Verhältnis auch die Anzahl der gebührenden Urlaubstage


Schlagworte: Urlaubsrecht, Urlaubsausmaß, Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit, Urlaubsersatzleistung
Gesetze:

§ 2 UrlG, § 4 UrlG, § 10 UrlG

GZ 8 ObA 35/12y [1], 24.10.2012

 

OGH: Gem § 2 Abs 1 UrlG gebührt dem Arbeitnehmer für jedes Arbeitsjahr ein ununterbrochener bezahlter Urlaub. Das Urlaubsausmaß beträgt bei einer Dienstzeit von weniger als 25 Jahren 30 Werktage und erhöht sich nach Vollendung des 25. Jahres auf 36 Werktage. Nach § 4 Abs 3 UrlG kann der Urlaub in zwei Teilen verbraucht werden, doch muss ein Teil mindestens sechs Werktage betragen. Auch wenn das Urlaubsausmaß nach § 2 Abs 1 UrlG in Werktagen festgelegt ist, lassen einerseits die Betonung des Anspruchs auf einen „ununterbrochenen“ Urlaub, andererseits die Aufteilungsbeschränkung keinen Zweifel, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht auf Tage, sondern auf ganze Urlaubswochen als maßgebliche Recheneinheit ankommt.

 

Die Frage, wie der gesetzliche Urlaubsanspruch zu berechnen ist, wenn ein Dienstnehmer nicht an allen Werktagen der Woche arbeitet, stellte sich bereits im Zuge der großflächigen Umstellung der Arbeitszeit von der Sechs- auf die Fünftagewoche. Benötigt ein Arbeitnehmer nur an fünf Werktagen Urlaub, um eine durchgehende Woche bezahlter Freizeit zu gewinnen, könnte er bei wörtlichem Verständnis des § 2 Abs 1 UrlG mindestens eine Woche länger zusammenhängenden Urlaub konsumieren als ein Arbeitnehmer, für den die Sechstagewoche gilt. Zusätzliche Berechnungsprobleme verschafft in dieser Konstellation der Verbrauch einzelner Urlaubstage, der ungeachtet des Teilungsverbots nach § 4 Abs 3 UrlG von LuRsp für wirksam erachtet wird, sofern diese Teilung auf Initiative des Arbeitnehmers erfolgt ist.

 

Diese Problematik hat die mittlerweile ständige, auch in der Literatur im Ergebnis gebilligte Rsp mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung dahin gelöst, dass bei der Vereinbarung kürzerer Urlaubsteile bis hin zu tageweisem Urlaubsverbrauch eines Arbeitnehmers, der keine sechs Tage pro Woche arbeitet, eine Umrechnung des Urlaubsanspruchs auf Arbeitstage vorzunehmen ist, sodass auch dieser Arbeitnehmer im Ergebnis auf einen Anspruch von fünf bzw sechs Wochen bezahlten Urlaub kommt.

 

Bei tageweisem Urlaubsverbrauch durch Arbeitnehmer mit einer Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Woche auf eine geringere Anzahl an Arbeitstagen ändert sich im gleichen Verhältnis auch die Anzahl der gebührenden Urlaubstage.

 

Diese Vorgangsweise ist nicht nur für eine Fünftagewoche, sondern für jedes von der Sechstagenorm abweichende Ausmaß an Arbeitstagen pro Woche sachgerecht und folgerichtig auch heranzuziehen, wenn der Arbeitnehmer regelmäßig an noch weniger als fünf Tagen pro Woche arbeitet. Das nach dem UrlG für Vollzeitbeschäftigte in Wochen geltende Urlaubsausmaß ist auch in diesem Fall mit der Zahl der Arbeitstage des Teilzeitbeschäftigten zu multiplizieren. Zu diesem Zweck hat eine Umrechnung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers von Werktagen auf tatsächlich geleistete betriebliche Arbeitstage zu erfolgen.

 

Die Anzahl der an einem Arbeitstag zu leistenden Arbeitsstunden spielt bei dieser Berechnung keine Rolle. Wird an fünf Tagen je eine Stunde gearbeitet - um ein von der Beklagten gebrauchtes Beispiel heranzuziehen - ist ein voller Urlaubsanspruch von fünf Arbeitstagen erforderlich, um eine Woche bezahlter Freistellung zu erreichen, werden fünf Stunden an einem Tag pro Woche gearbeitet, ist nur ein Arbeitstag Urlaub notwendig, um das vom Gesetz gewollte Ergebnis zu erreichen. Den Bedenken der Beklagten gegen die scheinbare Diskrepanz dieser Berechnung ist zu erwidern, dass sie weder eine Änderung bei der Höhe des Urlaubsentgelts bewirkt (das in beiden Beispielsfällen pro Urlaubswoche für insgesamt fünf Stunden zu leisten ist), noch an der (aliquot nach Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage zu berechnenden) Urlaubsersatzleistung.

 

Die Vorinstanzen haben sich bei der Berechnung des von der Klägerin während der Dauer des Teilzeitarbeitsverhältnisses erworbenen Urlaubsanspruchs zutreffend an diesen Grundsätzen orientiert.

 

Ausgehend von einem Anspruch von (umgerechnet) 25 Arbeitstagen pro Jahr bei Fünftagewoche stehen bei Beschäftigung an nur zwei Tagen je Woche insgesamt 10 Arbeitstage Urlaub pro Jahr zu, für sieben Wochen 7/52 davon, daher aufgerundet 1,35 Arbeitstage.

 

Eine Aliquotierung nach Arbeitsstunden, wie sie die Beklagte anstrebt, widerspricht dem im Gesetz vertretenen Urlaubsbegriff, dem eine Stundenberechnung fremd ist, sie würde im konkreten Fall zu einer nicht zu rechtfertigenden Halbierung des unabdingbaren Mindestanspruchs an Urlaubswochen führen.

 

Die Urlaubsersatzleistung stellt den vermögensrechtlichen Anspruch auf Erfüllung des in der Vergangenheit liegenden und noch offenen Urlaubsanspruchs dar. Für die Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG gilt das Ausfallsprinzip, weil die Ersatzleistung an die Stelle des ausständigen Urlaubsentgelts tritt. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten, das er aus der Perspektive des Urlaubsbeginns verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte. Die Ersatzleistung ist eine Art bereicherungsrechtlicher Ausgleich dafür, dass der Arbeitgeber insoweit Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers in überproportionalem Ausmaß entgegengenommen hat, als bei „regulärer“ Abwicklung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber nur um die Anzahl der Urlaubstage verminderte Leistungen erhalten hätte.

 

Die Höhe der Urlaubsersatzleistung richtet sich daher nach dem zuletzt bezogenen Entgelt. Dieses Prinzip kann sich für den Arbeitnehmer finanziell gegenüber einem zeitnahen Urlaubsverbrauch günstiger auswirken, wenn das Urlaubsguthaben noch aus Zeiten mit einem geringeren laufendem Entgeltanspruch, etwa auch wegen Teilzeitarbeit, stammt, bei Herabsetzung der Arbeitszeit kann jedoch auch der umgekehrte Fall eintreten. In jedem Fall fördert diese Reflexwirkung die Beachtung der gesetzlichen Intention, den Jahresurlaub möglichst zeitnah tatsächlich zu konsumieren.

 

Die Revision vertritt zu Recht den Standpunkt, dass die oben dargestellte Berechnung des Urlaubs in der Teilzeitphase nur so lange gelten kann, wie auch die zugrunde gelegten Voraussetzungen aufrecht sind. Diese Berechnung ist vorzunehmen, wenn Urlaub während der Teilzeitphase verbraucht wird, sowie im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Teilzeitphase, wenn es um die Bemessung der Ersatzleistung für nicht verbrauchten Urlaub geht.

 

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bei aufrechtem Dienstverhältnis eine Änderung der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage und besteht bei Beginn dieser Phase noch ein unverbrauchtes Urlaubsguthaben aus der vorangegangenen Periode, dann ist der Urlaubsanspruch den geänderten Arbeitszeitverhältnissen anzupassen, und zwar unabdingbar derart, dass das Ausmaß des dem Arbeitnehmer zustehenden Naturalurlaubs von insgesamt fünf (bzw sechs) Wochen im laufenden Arbeitsjahr nicht verringert wird.

 

Um dieses Ergebnis zu erreichen, muss der aliquot stehengebliebene Anspruch aus der Teilzeitperiode angepasst, dh im Fall der Erhöhung der Wochenarbeitstage, aufgewertet werden.

 

Die Berechnungsvariante der Vorinstanzen, die eine unveränderte lineare Fortschreibung der aliquoten Urlaubstage aus der Teilzeitphase vorgenommen haben, wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Sie gelangt zu dem weder mit § 2 Abs 1 UrlG, noch mit dem Verbot der Diskriminierung von Teilzeitarbeitskräften vereinbaren Ergebnis, dass die Klägerin trotz durchgehender Beschäftigung innerhalb eines Arbeitsjahres nur einen kürzeren als fünfwöchigen Urlaubsanspruch konsumieren hätte können.

 

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der EuGH erst in jüngerer Zeit die Vorlagefrage zu behandeln hatte, ob der in § 4 Nr 2 der Teilzeit-Rahmenvereinbarung vom 6. 6. 1997 festgelegte pro-rata-temporis-Grundsatz einer Regelung entgegenstehe, bei der einem von Vollzeit auf Teilzeit übergegangenen Arbeitnehmer der vorher in Vollzeit erworbene Urlaubsanspruch reduziert würde bzw der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mit reduziertem Entgelt verbrauchen könnte (C-486/08, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols). Der EuGH betonte in dieser Entscheidung, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen sei, von dem nicht abgewichen werden dürfe und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den in der RL 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ausdrücklich gezogenen Grenzen umsetzen dürften. Dieser Grundsatz sei weit auszulegen, insbesondere verliere der für Entspannung und Erholung des Arbeitnehmers gewidmete bezahlte Jahresurlaub seine Bedeutung für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers nicht dadurch, dass er nicht im Bezugszeitraum, sondern zu einer späteren Zeit genommen wird. Der in § 4 Nr 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie (RL) 97/81 enthaltene pro-rata-temporis-Grundsatz stehe daher einer nationalen Bestimmung entgegen, nach der bei Änderung des Beschäftigungsausmaßes der in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, reduziert wird.

 

Die Auswirkungen dieser Entscheidung wurden in der Literatur bereits mehrfach untersucht, insbesondere in Bezug auf das Spannungsverhältnis zwischen einem - wie im Vorlageverfahren - abweichend von § 2 Abs 1 UrlG in Arbeitsstunden bemessenen Urlaubsguthaben und dessen Umrechnung in Urlaubswochen. In diesem Zusammenhang wurde auch zutreffend hervorgehoben, dass der Urlaubsbegriff entweder - wie im UrlG - einen kalendarischen Zeitraum meint, bemessen vom ersten Kalendertag nach Arbeitsende bis zum letzten Kalendertag vor Wiederantritt, oder im engeren Sinn ausschließlich jenen Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Diese Unterscheidung ist fundamental, weil eine Vermengung der beiden Systeme zwangsläufig zu unstimmigen Ergebnissen führen muss.

 

Nur in Urlaubssystemen der letztgenannten Art wäre der stehen gelassene Jahresurlaub bereits im Zeitpunkt seines Erwerbs in seiner Höhe durch das Beschäftigungsausmaß in Stunden determiniert. In einem Urlaubssystem mit kalendarischem Urlaubsbegriff, wie er dem UrlG zugrundeliegt, wird dagegen originär kein bestimmtes Ausmaß an Freistellungsstunden, sondern ein zusammenhängender Erholungszeitraum eingeräumt.

 

Im Interesse des Erholungszwecks des Jahresurlaubs darf es aber in beiden Systemvarianten keinesfalls dazu kommen, dass ein während einer Teilzeitperiode erworbener Urlaubsanspruch, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, durch den Arbeitszeitwechsel reduziert wird.

 

Um im vorliegenden Verfahren zu diesem Ergebnis zu gelangen, ist das von der Klägerin am Ende der Teilzeitarbeit nicht verbrauchte Urlaubsguthaben in der Vollzeitphase dahingehend aufzuwerten, dass die neue Tagesanzahl dem selben Urlaubsausmaß in Wochen entspricht wie das Guthaben vor der Umstellung.

 

Unter der Voraussetzung, dass die Klägerin während ihrer siebenwöchigen Teilzeitphase keinen anteiligen Urlaub konsumiert hat, wäre ihr Freistellungsanspruch ab dem Übertritt in die Vollzeitphase daher so zu berechnen, wie wenn von Anfang an eine Fünftagewoche vereinbart gewesen wäre, weil nur auf diese Weise ein zusammenhängender Jahresurlaub im gesetzlichen Ausmaß erzielbar ist. In diesem Fall wäre das Klagebegehren zur Gänze berechtigt.

 

Sollte die Klägerin jedoch bereits während der Teilzeitphase Urlaub verbraucht haben, wäre dieser Verbrauch zur Ermittlung des zu übertragenden Guthabens ebenfalls aliquot aufzuwerten.

 

Ein einziger konsumierter Tag Urlaub in einer 2-Tage-Woche entspricht bereits dem Verbrauch einer halben Urlaubswoche. Ohne die „Aufwertung“ auch des verbrauchten Teils würde sich daher eine nicht gerechtfertigte Erhöhung des durchgehenden Urlaubswochenanspruchs pro Jahr ergeben. Nur durch die parallele Aufwertung (auch) des Verbrauchs wird auch eine relative Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern verhindert, deren Dienstverhältnis in der Teilzeitphase beendet wird.

 

Den Feststellungen der Vorinstanzen lässt sich nicht entnehmen, ob von den 16 Arbeitstagen Urlaub, den die Klägerin während des gesamten Dienstverhältnisses unstrittig konsumiert hat, allenfalls ein Teil bereits innerhalb der ersten sieben Wochen verbraucht wurde. Die Parteien haben zur zeitlichen Lagerung der Urlaubstage vielmehr überhaupt kein verwertbares Vorbringen erstattet, sodass auch kein Anhaltspunkt für eine Außerstreitstellung besteht.

 

Da die Berechtigung des Klagebegehrens notwendig davon abhängt, ob die Klägerin bereits in der Teilzeitphase einen Urlaubsteil verbraucht hat, wird das Erstgericht diese Frage im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern und ergänzende Feststellungen zu treffen haben.

 

Hätte die Klägerin zB einen Arbeitstag in der Teilzeitphase (dort entsprechend einer halben Urlaubswoche) verbraucht, wäre ihr hochgerechnetes Gesamtguthaben für diesen Urlaubstag nicht nur um diesen einen (der bereits im unstrittigen Verbrauch von 16 Tagen enthalten wäre), sondern aufgewertet um 2,5 Tage zu verringern. Die Differenz von 1,5 Tagen müsste von den noch strittigen 2,5 Arbeitstagen abgezogen werden, sodass in diesem Beispielfall nur ein Arbeitstag an unbeglichenem Resturlaub verbleiben würde.