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19.02.2013 Zivilrecht

OGH: Rechtsanwaltshaftung iZm Kauf eines Zinshauses (hier: iZm Aufklärungsmangel hinsichtlich der Umsatzsteuer)

Es ist vorauszusetzen, dass ein Rechtsanwalt Grundlagen des Umsatzsteuerrechts kennt oder zumindest weiß, dass beim Verkauf einer Liegenschaft steuerliche Aspekte zu beachten sind; eine Beratung und Vertragserrichtung über einen Liegenschaftskauf eines Unternehmers von einem Unternehmer ohne jeglichen Hinweis auf die Umsatzsteuer begründet daher einen Sorgfaltsverstoß, auch wenn die Steuerberatung nicht den Schwerpunkt anwaltlicher Tätigkeit bildet


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Rechtsanwalt, Haftung, Steuerrecht, Umsatzsteuer, Option für Umsatzversteuerung, Vorsteuer, Unternehmer, Zinshaus, für beide Vertragspartner tätig
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 9 RAO, § 20 RAPG, § 5 NO

GZ 3 Ob 159/12x [1], 19.12.2012

 

Am 29. Dezember 2010 schloss die Klägerin als Verkäuferin mit dem Mandanten des beklagten Rechtsanwalts als Käufer einen Kaufvertrag über eine bestimmte Liegenschaft, auf der ein Zinshaus bestand.

 

Nicht besprochen wurde, ob der Kaufpreis ohne oder mit Umsatzsteuer vereinbart wird. Ein Gespräch über die Umsatzsteuer oder steuerliche Belange des Kaufvertrags sowie Daten des Steuerberaters der Klägerin fand nicht statt. Der Beklagte erklärte auch nicht, dass es eine Steueroption gebe, noch erwähnte er eine Vorsteuerberichtigung, noch erläuterte er diese Begriffe. Er wies den Geschäftsführer der Klägerin auch nicht darauf hin, welchen Zweck eine Steueroption habe und welche nachteiligen Folgen damit verbunden sind, wenn für den Kaufvertrag keine Umsatzsteuer abgeführt wird, dass es nämlich in diesem Fall zu einer Vorsteuerberichtigung und damit zu einer Nachforderung des Finanzamts an die Klägerin kommen könne. Der Beklagte belehrte den Geschäftsführer der Klägerin nur über die Grunderwerbsteuer und die Eintragungsgebühr.

 

OGH: Nach der Rsp des OGH ist ein Notar oder Rechtsanwalt, der bei der Errichtung und Abwicklung eines Kaufvertrags für beide Vertragspartner tätig war, verpflichtet, auch die Interessen beider Teile wahrzunehmen, selbst wenn er im Übrigen nur Bevollmächtigter eines Teils ist. Die Vertragspartner können daher darauf vertrauen, dass sie der Vertragsverfasser vor Nachteilen schützt und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit sorgt. Die den Vertragserrichter gegenüber allen Vertragspartnern treffenden Belehrungs- und Aufklärungspflichten dürfen aber nicht überspannt werden. Wie weit die Aufklärungs- und Belehrungspflicht jeweils reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, die die Haftung des beklagten Rechtsanwalts infolge Unterlassung jeglicher umsatzsteuerrechtlicher Aufklärung in diesem Fall bejahten, ist nicht zu beanstanden. Es ist vorauszusetzen, dass ein Rechtsanwalt Grundlagen des Umsatzsteuerrechts kennt oder zumindest weiß, dass beim Verkauf einer Liegenschaft steuerliche Aspekte zu beachten sind. Eine Beratung und Vertragserrichtung über einen Liegenschaftskauf eines Unternehmers von einem Unternehmer ohne jeglichen Hinweis auf die Umsatzsteuer begründet daher einen Sorgfaltsverstoß, auch wenn die Steuerberatung nicht den Schwerpunkt anwaltlicher Tätigkeit bildet. Abgabenrecht und Finanzstrafverfahren gehören auch zu jenen Rechtsgebieten, auf denen Rechtsanwälte Kenntnisse und Fähigkeiten aufweisen müssen (vgl § 20 Z 8 RAPG).

 

Der Beklagte hat das Umsatzsteuerthema überhaupt nicht angesprochen, diesbezüglich keine Erkundigungen eingezogen und auch nicht darauf hingewiesen, dass ihm diesbezüglich detaillierte Kenntnisse fehlen oder die Beiziehung eines Steuerberaters, insbesondere zur Ermittlung der Höhe allfälliger Steuerfolgen unbedingt notwendig wäre. Aus der vom Beklagten vorgeschlagenen Differenzierung zwischen Falschberatung und Nichtberatung ist nichts zu gewinnen, weil es seine Aufgabe als (entgeltlicher) Vertragserrichter gewesen wäre, beide Teile vor Nachteilen zu bewahren, und es keinen Unterschied macht, ob der Schaden durch eine unrichtige Auskunft oder das Unterbleiben eines Warnhinweises herbeigeführt wurde. Es geht auch entgegen der Argumentation des Beklagten nicht darum, die Bilanzen der Klägerin zu überprüfen oder Investitionsrechnungen für ein Haus nachzuvollziehen, um betragsmäßige Feststellungen treffen zu können, sondern um den allgemeinen Hinweis auf die Umsatzsteuerproblematik im Fall geltend gemachter Vorsteuerabzüge. Dass die Klägerin in die verkaufte Liegenschaft investierte, also Aufwendungen tätigte, war Verhandlungsgegenstand, die seinerzeitige Geltendmachung von Vorsteuer daher auf der Hand liegend. Der Vergleich mit der (abgelehnten) Nebenpflicht zur Abklärung der Bodenbeschaffenheit überzeugt daher nicht. Der vom Beklagten herangezogene Vergleich mit der Körperschaftsteuer, über die seiner Ansicht nach von vornherein nicht aufzuklären ist, geht schon deshalb fehl, weil in Bezug auf die Körperschaftsteuer keine vergleichbare Gestaltungsmöglichkeit bei der Kaufvereinbarung besteht (Option für Umsatzversteuerung).

 

Auch der vom Beklagten noch in dritter Instanz aufrechterhaltene Mitverschuldenseinwand schlägt nicht durch. Mangels jeglichen Hinweises des Beklagten auf mögliche Umsatzsteuerprobleme bestand für die Klägerin auch keine Veranlassung, ihrerseits steuerliche Beratung zu Umsatzsteuerfragen einzuholen. Die ihr diesbezüglich vom Beklagten vorgeworfene Unterlassung kann daher nicht als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten gewertet werden.

 

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen beträgt der vom Beklagten der Klägerin zu ersetzende Schaden aber nur 50.791,25 EUR. Bei gebotenem Vergleich zwischen dem tatsächlichen Kaufpreiseingang von 1.070.000 EUR sowie der festgestellten Umsatzsteuerrückzahlung in Höhe des Klagebetrags einerseits und der Kaufpreiszahlung von lediglich 1.060.000 EUR sowie dem Entfall der Umsatzsteuerrückzahlung im Fall der geschuldeten, aber nicht erfolgten Beratung durch den Beklagten andererseits, ergibt sich lediglich ein der Klägerin entstandener konkret berechneter Schaden von 50.791,25 EUR. Nur dieser ist der Klägerin vom Beklagten zu ersetzen.

 

Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen sind durch das beiderseitige Parteienvorbringen gedeckt, zumal sich die Klägerin - zur Widerlegung des Beklagtenvorbringens, sie wäre zur Tragung der erhöhten Gebühren bei vereinbarter Umsatzsteuerpflicht für den Kaufpreis nicht bereit gewesen - hilfsweise darauf berufen hat, dass sie zur Vermeidung der Umsatzsteuerrückzahlung und zwecks Ausgleichs der Mehrbelastung für den Käufer mit einer Reduktion des Kaufpreises auf 1.060.000 EUR einverstanden gewesen wäre.