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04.03.2013 Zivilrecht

OGH: Zu Fürsorgepflicht des Werkbestellers gem § 1169 iVm § 1157 ABGB (hier: iZm in großer Höhe durchzuführenden Arbeiten)

Die Verpflichtungen eines Werkbestellers würden überspannt, müsste er alle Gefahren, die mit Arbeiten in großer Höhe in einer Industriehalle im Zusammenhang stehen, vor Arbeitsaufnahme im Einzelnen analysieren und den Leuten des Werkunternehmers bekanntgeben


Schlagworte: Werkvertrag, Fürsorgepflicht des Werkbestellers, Arbeiten in großer Höhe, Schadenersatzrecht, Erfüllungsgehilfe
Gesetze:

§§ 1165 ff ABGB, § 1169 ABGB, § 1157 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 1313a ABGB

GZ 3 Ob 158/12z [1], 17.10.2012

 

OGH: Grundsätzlich hat ein Werkbesteller, der seine eigene Sphäre dem Werkunternehmer öffnet und diesen daher (zumindest potenziell) gewissen Gefahren aussetzt, ihn im Rahmen des Zumutbaren vor Schäden zu bewahren. Dabei ist auf mögliche Gefahren hinzuweisen, sofern diese nicht beseitigt werden können. Die Reichweite dieser Fürsorge- bzw Schutzpflicht bestimmt sich danach, wie weit sich der Unternehmer (mit seinen Gehilfen) in einen der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich zu begeben hat, in dem er gefährdet wird. Das Ausmaß solcher Pflichten kann nur aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls festgelegt werden.

 

Die Ansicht der Vorinstanzen, dass der beklagten Partei als Werkbestellerin keine Verletzung der in § 1169 iVm § 1157 ABGB normierten Fürsorgepflicht anzulasten ist, ist in Anbetracht der konkreten Umstände jedenfalls vertretbar. Zwar verlief die für die Umsetzung des konkret auszuführenden Auftrags in Frage kommende Kabeltrasse entlang der Kranbahn in einer Höhe von 1,65 m über dem Abschlusspodest der (oben offenen und innen hohlen) Kranbahnstütze, sodass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass das Podest als „Standplatz“ für die Arbeiter Verwendung findet. Allerdings würden die Verpflichtungen eines Werkbestellers überspannt, müsste er alle Gefahren, die mit Arbeiten in großer Höhe in einer Industriehalle im Zusammenhang stehen, vor Arbeitsaufnahme im Einzelnen analysieren und den Leuten des Werkunternehmers bekanntgeben; schließlich obliegt die Werkerstellung unter den gegebenen, durchaus als nicht ungefährlich erkennbaren Umständen dem Werkunternehmer.

 

Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, vermögen die von der klagenden Partei im Rechtsmittel angeführten gesetzlichen Bestimmungen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Vor allem ist zu beachten, dass sich der Unfall nach den in § 2 ASchG enthaltenen Definitionen nicht an einer (dauerhaften) „Arbeitsstätte“ ereignete, sondern auf einer „Baustelle“. Eine Verletzung der in § 8 Abs 2 ASchG angeführten Sicherheitsunterweisungen ist in Anbetracht der Feststellungen ebenso wenig erkennbar wie eine Verletzung von Maschinensicherheitsvorschriften (vgl die zum Unfallszeitpunkt in Geltung stehende Maschinen-Sicherheitsverordnung BGBl 1994/306 - MSV). Der Unfall ereignete sich auch nicht iZm dem Betrieb, dem Rüsten oder der Wartung des Krans.