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29.04.2013 Zivilrecht

OGH: Anlageberaterhaftung – zur Verjährungsfrist des § 1489 ABGB

Versuchen von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, kann nach der Judikatur in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen. Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Anlageberaterhaftung, Verjährung, Arglist
Gesetze:

§ 1489 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 870 ABGB

GZ 1 Ob 12/13s [1], 14.03.2013

 

OGH: Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekannt geworden ist. Die Verjährungsfrist wird nach der Rsp in Gang gesetzt, wenn die Kenntnis des Geschädigten über den Schadenseintritt, die Person des Schädigers und den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten einen solchen Grad erreichte, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann.

 

Erwirbt ein Anleger nicht das von ihm ausdrücklich gewünschte sichere und wertstabile, sondern ein volatiles Wertpapier, ist der Primärschaden bereits durch dessen Erwerb eingetreten. Im vorliegenden Fall forderte die Klägerin ihren Anlageberater auf, das von ihr bisher in einem Bausparvertrag veranlagte Geld „gut zu parken“ und erklärte „nichts Risikobehaftetes“ zu wollen. Beim Beratungsgespräch betonte ihr Anlageberater stark die Sicherheit der vorgeschlagenen Wertpapiere, die er als Immobilieninvestment bezeichnete. Aufgrund der Beratung glaubte die Klägerin, sich für ein sicheres, risikofreies Produkt entschieden zu haben, mit dem lediglich Gewinne, aber keine Verluste erzielt werden könnten. Bereits am 31. 7. 2007 berichteten Printmedien über einen erheblichen Kurssturz (- 17,5 %) der von der Klägerin erworbenen Papiere. Im August folgten weitere Meldungen über Verluste in Print- und TV-Medien. Ende Juli/Anfang August 2007 rief die Klägerin ihren Berater an und fragte, was jetzt passiere und was sie tun sollten. Dass sie von den massiven Kursverlusten zu diesem Zeitpunkt nichts gewusst hätte, behauptet sie in ihrer Revision nicht mehr. In Anbetracht dieses Wissensstands hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, das die objektiv zumutbare Erkenntnis der Klägerin, aufgrund einer unrichtiger Beratung nicht die von ihr gewünschten sicheren Papiere erworben zu haben, mit Ende Juli bis Mitte August 2007 ansetzte, im Rahmen der Kriterien, die die Judikatur in derartigen Fällen entwickelt hat.

 

Versuchen von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, kann nach der Judikatur in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen. Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann. Welche Auswirkungen derartige „Beschwichtigungsversuche“ auf die Verjährung der Ansprüche von Anlegern haben, ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen

 

Auf ihre Frage, was sie (nach den eingetretenen Kursverlusten) tun solle, erklärte der Anlageberater der Klägerin nur, sie solle nicht vorschnell reagieren. Diese Äußerung ist aus der Sicht eines „nervösen“ Anlegers so zu interpretieren, dass ihm vom sofortigen Verkauf abgeraten werde, aber einem Zusichern, der gesunkene Wert würde in kurzer Zeit wieder steigen nicht gleich zuhalten. Zwar fand am 13. September 2007 eine Informationsveranstaltung der erstbeklagten Partei statt, bei der die Anleger, darunter die Klägerin, beruhigt wurden. Es wurde aber nicht festgestellt, dass den Anlegern zugesichert worden wäre, ihr eingesetztes Kapital sei sicher und nicht gefährdet. Dass Äußerungen in Richtung eines nahezu sicheren Ausschlusses eines künftigen Schadens gefallen wären, ist dem festgestellten Sachverhalt demnach nicht zu entnehmen.