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06.05.2013 Zivilrecht

OGH: § 19 Abs 6 StVO – Vorrangsverhältnis iZm Zufahrt / Abfahrt innerhalb eines Parkplatzes

Zwei der Zufahrt und Abfahrt dienende Verkehrsflächen innerhalb eines Parkplatzes können nur dann im Verhältnis des § 19 Abs 6 StVO zueinander stehen, wenn eine solche Vorrangregelung in einer für die Verkehrsteilnehmer klar und eindeutig erkennbaren Weise zum Ausdruck kommt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Verkehrsrecht, Vorrang, Parkplatz, Zufahrt / Abfahrt, benachrangte Verkehrsfläche, räumliche Abgrenzung
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 19 StVO

GZ 2 Ob 216/12x [1], 21.02.2013

OGH: Grundsätzlich kommt es für die Beurteilung der Frage, ob eine Verkehrsfläche nach § 19 Abs 6 StVO benachrangt ist, auf die konkreten Umstände an.

Diese Beurteilung ist nach objektiven Kriterien vorzunehmen. Bei der Lösung dieser Frage kommt es daher nicht auf die jeweilige subjektive Betrachtungsweise der beteiligten Lenker, auf ihre besondere Ortskenntnis, sondern darauf an, ob sich die betreffende Verkehrsfläche in der gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet.

Auf den Abfahrten und Zufahrten innerhalb eines Parkplatzes findet grundsätzlich die Rechtsregel des § 19 Abs 1 StVO Anwendung, dieser Grundsatz hindert aber nicht, dass bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen bestimmte Verkehrsflächen auch innerhalb eines Parkplatzes gegenüber anderen als untergeordnet iSd § 19 Abs 6 StVO zu werten sind. Im Zweifel ist jedoch der Rechtsvorrang anzunehmen.

Zwei der Zufahrt und Abfahrt dienende Verkehrsflächen innerhalb eines Parkplatzes können aber dann im Verhältnis des § 19 Abs 6 StVO zueinander stehen, wenn eine solche Vorrangsregelung in einer für die Verkehrsteilnehmer klar und eindeutig erkennbaren Weise zum Ausdruck kommt, sei es durch vorhandene Verkehrszeichen, durch die unterschiedliche Ausgestaltung der betreffenden Verkehrsflächen oder durch Bodenmarkierungen. Die - soweit überblickbar - bisher vom OGH in diesem Zusammenhang entschiedenen Konstellationen betrafen entweder Vorfälle innerhalb von Garagen bzw auf der lediglich der Zufahrt zu einer Garage dienenden Verkehrsfläche oder Unfälle auf größeren Parkplätzen, zwischen Fahrzeugen, die Zufahrtsstraßen zum jeweiligen Parkplatz benutzten, und solchen, die aus zwischen den einzeln markierten Parkplätzen befindlichen Verkehrsflächen kamen.

Eine Konstellation, in der wie hier die Parkplätze großteils aber nicht nur unter einem auf Säulen ruhenden Gebäude liegen, die Zufahrtsstraße dagegen um den Parkplatz - und damit auch um das darüber liegende Gebäude führt - war dagegen bislang nicht zu entscheiden.

Der erkennende Senat ist unter Berücksichtigung der Besonderheit der Unfallörtlichkeit der Ansicht, dass nach objektiven Kriterien eine unterschiedliche Ausgestaltung der betreffenden Verkehrsflächen iS RIS-Justiz RS0074509 zu bejahen ist. Die unter dem gedeckten Bereich des Parkplatzes liegende, vom bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeug benutzte Ausfahrt von den Parkplätzen macht bei objektiver Betrachtung für einen Verkehrsteilnehmer im Vergleich zu der „im Freien“ liegenden Zufahrtsstraße den Eindruck einer Garagenausfahrt, auch wenn der überbaute Parkbereich keine Seitenwände hat. Durch die bauliche Gestaltung der Säulen mit dem darüber liegenden Gebäude wird dennoch der Eindruck einer räumlichen Abgrenzung dieses Teils des Parkplatzes von der Zufahrtsstraße erweckt.