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20.05.2013 Zivilrecht

OGH: Durchsetzung des Besuchsrechts eines Elternteils zu seinem minderjährigen Kind gegenüber Dritten (hier: Weigerung des Hortbetreibers (auf Grund Vereinbarung mit der obsorgeberechtigten Mutter), Kind an besuchsberechtigtem Kläger herauszugeben)

Verstöße des mitwirkungspflichtigen Elternteils gegen ein mit Vergleich oder Beschluss des Pflegschaftsgerichts eingeräumtes Kontaktrecht sind im Außerstreitverfahren auf die dort vorgesehene Weise abzustellen, weil dort die Gewähr besteht, dass dem Kindeswohl Rechnung getragen wird; ein Beschluss, mit dem Besuchskontakte festgelegt werden, kann dagegen nicht gegen dritte, am Titelverfahren nicht beteiligte Personen durchgesetzt werden


Schlagworte: Familienrecht, Besuchsrecht, Recht auf persönliche Kontakte, Durchsetzung gegenüber Dritten, Hausrecht, Eigentumsfreiheitsklage
Gesetze:

§ 148 ABGB aF, § 187 ABGB nF, § 110 AußStrG, Art 8 EMRK, § 523 ABGB, § 354 ABGB

GZ 5 Ob 21/13v [1], 18.04.2013

 

OGH: Das Kontaktrecht ist ein allgemein anzuerkennendes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung; es ist grundsätzlich auch von Dritten zu respektieren.

 

Der OGH hat sich bereits in 4 Ob 186/09w mit der (Reichweite der) Drittwirkung des Kontaktrechts zwischen einem (erwachsenen) Kind und einem Elternteil befasst; er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass familiäre Rechtsbeziehungen ihre Wirkung zwar in erster Linie unter den Angehörigen entfalteten und somit relativen Charakter hätten. Dennoch müssten sie in gewissem Umfang auch von Dritten respektiert werden, die nicht willkürlich in diese Rechtsbeziehung eingreifen dürften. Insofern seien manche Familienrechte zugleich als absolute Rechte ausgestaltet. Aus dem Charakter der Persönlichkeitsrechte als absolute Rechte, die mit Enthaltungspflichten gegenüber jedermann bewehrt seien, gewähre die Rsp (verschuldensunabhängige) Unterlassungsansprüche im Fall von Eingriffs- oder Wiederholungsgefahr bei Persönlichkeitsverletzungen auch dort, wo die Rechtsordnung keine ausdrücklich normierten Tatbestände vorsehe. Zusammenfassend gelte demnach, dass das Zugangsrecht eines erwachsenen Kindes zu einem Elternteil zwar auch von Dritten zu respektieren ist, aber nur in Ausnahmefällen Dritten gegenüber gerichtlich erzwungen werden könne.

 

Ausgehend von dieser Rechtsansicht trug der OGH in 4 Ob 186/09w dem Erstgericht (ua) die Prüfung der Frage auf, ob der Besuchskontakt auch außerhalb der Liegenschaft der dortigen Beklagten gepflogen werden könne. Andernfalls sei im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob durch eine Ausübung des Kontakt- und Zugangsrechts auf der Liegenschaft der Beklagten solche berechtigte Interessen der Liegenschaftseigentümer (wie etwa der Schutz des Hausrechts und des ungestörten Familienlebens) verletzt würden, die gegenüber dem verfolgten Recht der Klägerin überwiegen würden.

 

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht aus den in der Entscheidung 4 Ob 186/09w angestellten Erwägungen - zu Unrecht - die Berechtigung des vom Kläger erhobenen Unterlassungsbegehrens abgeleitet:

 

Das Kontaktrecht des Klägers beruht auf einem Beschluss des Pflegschaftsgerichts vom 26. 3. 2008 zu AZ 2 P 47/08k. Wie die Durchsetzung von Regelungen auf persönliche Kontakte gegenüber dem aus der gerichtlichen Entscheidung (§ 110 Abs 1 Z 1 AußStrG) oder einer vor Gericht geschlossenen Vereinbarung (§ 110 Abs 1 Z 2 AußStrG) Verpflichteten zu erfolgen hat, bestimmt § 110 AußStrG.

 

Verstöße des mitwirkungspflichtigen Elternteils gegen ein mit Vergleich oder Beschluss des Pflegschaftsgerichts eingeräumtes Kontaktrecht sind im Außerstreitverfahren auf die dort vorgesehene Weise abzustellen, weil dort die Gewähr besteht, dass dem Kindeswohl Rechnung getragen wird. Ein Beschluss, mit dem Besuchskontakte festgelegt werden, kann dagegen nicht gegen dritte, am Titelverfahren nicht beteiligte Personen durchgesetzt werden.

 

Der Kläger versucht mit seiner Klage den von ihm aus dem Beschluss des Pflegschaftsgerichts abgeleiteten genauen Beginn des Kontakts und die spezifischen Übergabemodalitäten gegenüber der Beklagten durchzusetzen. Es geht also - schon nach den eigenen Prozessbehauptungen des Klägers - nicht darum, dass die Beklagte den Kontakt des Vaters zu seiner Tochter schlechthin zu verhindern sucht.

 

Es trifft - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht zu, dass die Beklagte zufolge der mit der Mutter am 31. 5. 2011 getroffenen Vereinbarung grundlos und willkürlich in das Kontaktrecht des Klägers eingegriffen habe. Die Beklagte hat mit besagter Vereinbarung vielmehr den - durch die Obsorge der Mutter grundsätzlich legitimierten - Forderungen der Erziehungsberechtigten entsprochen. Es kann nicht Aufgabe der Beklagten sein, Anordnungen des obsorgeberechtigten Elternteils auf deren Vereinbarkeit mit einer aktuell geltenden Kontaktrechtsentscheidung der Eltern zu überprüfen, diese allenfalls abzulehnen und so in Eigenverantwortung elterliche Konfliktfälle zu lösen. Diese Lösung wird der Kläger im Außerstreitverfahren gegenüber der Mutter anzustreben haben.

 

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass im vorliegenden Fall auch die in 4 Ob 186/09w propagierte Interessenabwägung nicht zur Rechtfertigung des vom Kläger erhobenen Unterlassungsbegehren führen kann. In Stattgebung der Revision der Beklagten ist daher (auch) dieser Teil des Klagebegehrens abzuweisen.

 

Das objektbezogene Selbstbestimmungsrecht wird in LuRsp auch als „Hausrecht“ bezeichnet. Es folgt dogmatisch aus der Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria), der Klage des besitzenden Eigentümers auf Abwehr von Störungen. Dieses Recht unterliegt freilich, wie jedes andere Ausschlussrecht des Eigentümers, gewissen privat- und öffentlich-rechtlichen Beschränkungen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Übertragung von öffentlichen Aufgaben einer (unbeschränkten) Durchsetzung des Hausrechts entgegensteht.

 

Im vorliegenden Fall bestehen freilich keine Gründe, die eine Beschränkung des Hausrechts der Beklagten erfordern. Das Vorgehen der Beklagten ist kein unzulässiger, eine Unterlassungspflicht begründender Eingriff in das Kontaktrecht des Klägers und die Übernahme des Kindes durch den Kläger zum Zweck der Kontaktausübung muss überdies nicht unter Benutzung des Ganges und der Aula des Hortes der Beklagten erfolgen. Die Abweisung des Duldungsbegehrens des Klägers erfolgte somit zu Recht.