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20.05.2013 Verfahrensrecht

OGH: Zur Frage, ob der Insolvenzverwalter in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen ist

Der nach § 4 IO an die Stelle des Schuldners getretene Insolvenzverwalter wurde übergangen, indem ihm nicht die Möglichkeit zur Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung an Stelle des Schuldners gegeben wurde; dies kann nach Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsstelle nicht im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht werden; der Insolvenzverwalter kann die Ansprüche der Masse nur mehr im Klageweg verfolgen


Schlagworte: Insolvenzrecht, Außerstreitrecht, Schuldenregulierungsverfahren, Erwerb durch Erbschaft, Abhandlungsverfahren, Einbeziehung des Insolvenzverwalters
Gesetze:

§ 4 IO, § 8a IO, § 25 AuStrG, §§ 156 ff AußStrG, § 2 AußStrG

GZ 7 Ob 182/12h [1], 19.12.2012

 

Der Erblasser verstarb am 27. 5. 2011. Er hinterließ eine Ehefrau und vier volljährige Kinder, darunter P***** G*****. Über das Vermögen von P***** G***** wurde mit Beschluss des BG Donaustadt vom 29. 12. 2011 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und der Revisionsrekurswerber zum Insolvenzverwalter bestellt.

 

OGH: Die Rechtswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten mit Beginn des Tages ein, der der öffentlichen Bekanntmachung des Inhalts des Insolvenzedikts folgt (§ 2 Abs 1 IO). Rechtshandlungen des Schuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welche die Insolvenzmasse betreffen, sind den Insolvenzgläubigern gegenüber unwirksam (§ 3 Abs 1 IO). Der Insolvenzverwalter kann anstelle des Schuldners Erbschaften mit dem Vorbehalt der Rechtswohltat des Inventars antreten (§ 4 Abs 1 IO).

 

§ 4 IO führt die allgemeine Regelung des § 3 IO über die Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners in Ansehung bestimmter Vermögenszuwächse näher aus. Sie fallen, gleichgültig ob sie vor oder nach Konkurseröffnung angefallen sind, in die Konkursmasse. Dies gilt insbesondere für eine dem Gemeinschuldner angefallene Erbschaft. Hat etwa der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine ihm angefallene Erbschaft allein oder in Gemeinschaft mit Miterben angetreten (die Erbantrittserklärung abgegeben), steht dem Insolvenzverwalter das Recht zu, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anstelle des Gemeinschuldners dessen Rechte aus dem Erbanfall zu vertreten und zwar unter Ausschluss des Schuldners.

 

Die Bestimmungen der IO sind sinngemäß auch für das Außerstreitverfahren anzuwenden (§ 8a IO). Das außerstreitige Verfahren wird unterbrochen, wenn die Insolvenz über das Vermögen einer Partei eröffnet wird, sofern dies die Bestimmungen der IO vorsehen (§ 25 Abs 1 Z 4 AußStrG). Der OGH hat zu 5 Ob 249/07i zur Rechtslage nach der KO ausgesprochen, dass durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des einzigen Erbanwärters, der eine Erbantrittserklärung abgegeben hat, das Verlassenschaftsverfahren unterbrochen wird. Es ist von Amts wegen unter Beiziehung des Insolvenzverwalters fortzusetzen, wozu es eines klarstellenden Beschlusses bedarf.

 

Im vorliegenden Fall haben weder der Schuldner noch der Insolvenzverwalter im erstinstanzlichen Verfahren Erbsantrittserklärungen abgegeben. Weder der Schuldner noch der Insolvenzverwalter wurden damit Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Schon weil sich das Schuldenregulierungsverfahren nicht auf einen erbantrittserklärten Erben, also eine Partei nach § 25 Abs 1 Z 4 AußStrG, bezieht, wird das Verlassenschaftsverfahren durch dessen Eröffnung nicht unterbrochen.

 

Ist die Erbschaft durch den Tod des Erblassers angefallen, darf nach § 4 IO der Insolvenzverwalter an Stelle des Schuldners eine bedingte Erbantrittserklärung abgeben. Er wurde aber im vorliegenden Verfahren mangels Kenntnis vom Schuldenregulierungsverfahren nicht beigezogen.

 

Das neue AußStrG legt - anders als dies nach der früheren Rechtslage der Fall war - den Streit über das Erbrecht in einen eigenen rechtsstreitähnlichen Abschnitt des Verlassenschaftsverfahrens selbst, nämlich in das „Verfahren über das Erbrecht“. In § 164 AußStrG wird darüber hinaus auch die nach früherer Rechtslage schwierig zu lösende Frage beantwortet, ob ein bei der Einantwortung mangels abgegebener Erbantrittserklärung nicht berücksichtigter Erbansprecher den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs bekämpfen - und sich so gegebenenfalls nachträglich in das Verlassenschaftsverfahren „hineinreklamieren“ - kann oder ob er darauf verwiesen ist, seine behaupteten erbrechtlichen Ansprüche mit eigener Klage zu verfolgen. Nach § 164 Abs 1 AußStrG kann - im erstinstanzlichen Verfahren - eine Erbantrittserklärung noch so lange abgegeben werden, als das Gericht nicht an einen gefassten Beschluss über die Einantwortung gebunden ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung sind erbrechtliche Ansprüche später noch mit Klage geltend zu machen. Der Gesetzgeber stellt damit nicht auf die inhaltliche (allenfalls im Rechtsmittelweg überprüfte) Richtigkeit des Einantwortungsbeschlusses ab, sondern bloß auf dessen Erlassung. Daraus folgt zwingend (und dies ist den Gesetzesmaterialien auch ausdrücklich zu entnehmen), dass ein Rechtsmittelverfahren nicht mehr die Möglichkeit bieten soll, die bisher - aus welchen Gründen immer - unterlassene Abgabe einer Erbantrittserklärung nachzuholen. Das bestätigt § 164 Satz 2 AußStrG, wonach erbrechtliche Ansprüche später, dh nach Bindung des Verlassenschaftsgerichts an seinen Beschluss, nur noch mit Klage geltend zu machen sind. Der OGH hat unter Ablehnung der Entscheidung 4 Ob 50/08v ausgesprochen, dass es dem Erben nach der Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsabteilung verwehrt ist, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin etwa geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihm Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben.

 

Im vorliegenden Fall wurde der Insolvenzverwalter, der nach § 4 IO an die Stelle des Schuldners tritt, übergangen; es wurde ihm nicht die Möglichkeit zur Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung an Stelle des Schuldners gegeben. Dies kann aber iSd dargelegten Judikatur nach Übergabe des Einantwortungsbeschlusses an die Geschäftsstelle nicht im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter kann die Ansprüche der Masse nur mehr im Klageweg verfolgen.