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01.07.2013 Zivilrecht

OGH: Tierhalterhaftung gem § 1320 ABGB – zu den einen Hundehalter gegenüber älteren als sechsjährigen Kindern treffenden Sorgfalts- und Verwahrungspflichten

Mit dem Hinweis, den in seinem „Körbchen“ schlafenden Hund in Ruhe zu lassen, hat der Tierhalter idR seinen Sorgfaltspflichten ausreichend entsprochen; von einem über sieben Jahre alten Kind, das regelmäßig Kontakt mit Hunden hat (und dem auch der Hund der Beklagten bekannt ist), kann erwartet werden, dass es einer solchen Anweisung folgt und sich dem schlafenden Tier nicht abrupt nähert


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Tierhalterhaftung, Hundehalter, Kinder, Sorgfalts- und Verwahrungspflichten
Gesetze:

§ 1320 ABGB

GZ 2 Ob 167/12s [1], 29.05.2013

 

OGH: Gem § 1320 Satz 2 ABGB ist derjenige, der ein Tier hält, für den durch das Tier verursachten Schaden verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hat. Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung keine (volle) Gefährdungshaftung normiert hat, die besondere Tiergefahr aber dadurch berücksichtigt wird, dass nicht auf das subjektive Verschulden des Halters, sondern auf die objektiv gebotene Sorgfalt abgestellt wird. Der Tierhalter hat zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt. Misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten.

 

Welche Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Vorkehrungen müssen dem Tierhalter zumutbar sein. Es ist anerkannt, dass die Anforderungen an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflichten nicht überspannt werden dürfen.

 

In der Nähe von kleinen Kindern ist auch bei sonst gutmütigen oder kinderfreundlichen Hunden für den Halter grundsätzlich besondere Vorsicht geboten. Dieser Grundsatz beschränkt sich, wie sich aus der Rsp des OGH bereits ergibt, nicht nur auf Kleinkinder im engeren Sinn. Auch bei Kindern im Alter des Klägers (im Zeitpunkt des Vorfalls: sieben Jahre und zwei Monate) kann daher - je nach den konkreten Umständen - noch besondere Vorsicht geboten sein.

 

Im vorliegenden Fall sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Beklagte mit ihrem den Kindern gegebenen Hinweis, den in seinem „Körbchen“ schlafenden Hund in Ruhe zu lassen, ihren Sorgfaltspflichten ausreichend entsprochen habe. Von einem über sieben Jahre alten Kind, das regelmäßig Kontakt mit Hunden habe und dem auch der Hund der Beklagten bekannt gewesen sei, könne erwartet werden, dass es einer solchen Anweisung folge und sich dem schlafenden Tier nicht abrupt nähere.

 

Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der erörterten Rsp und begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

 

Die vom Kläger in seinem Rechtsmittel aufgeworfene (und verneinte) Frage, ob von einem siebenjährigen Kind die Einsichtsfähigkeit in die von einem an sich gutmütigen Tier ausgehende abstrakte Gefährdung erwartet werden könne, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Nach den Feststellungen war dem Kläger bekannt, wie man sich Hunden gegenüber verhält und mit ihnen umgeht. Er wusste auch, dass man sie, wenn sie schlafen, in Ruhe lassen soll.

 

Vor diesem Hintergrund ist aber dem Berufungsgericht auch unter dem vom Kläger aufgezeigten Aspekt keine korrekturbedürftige krasse Fehlbeurteilung vorzuwerfen, wenn es die Einsichtsfähigkeit des Klägers unterstellte und den erwähnten Hinweis der Beklagten ausreichen ließ. Seine (implizite) Annahme, die Beklagte habe nicht damit rechnen können, dass sich der Kläger dem schlafenden Hund dennoch nähern und ihn aus dem Schlaf aufschrecken werde, ist vielmehr das Ergebnis einer vertretbaren Rechtsansicht.