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01.07.2013 Zivilrecht

OGH: Sturz aufgrund nicht ordnungsgemäß montierter Schlauchverbindung des Kühlmittelschlauchs – Austausch des Wracks gegen ein neuwertiges Motorrad aus dem Titel der Gewährleistung?

Mangelhaft war hier nicht bloß die Schlauchverbindung, sondern die ganze Sache „Motorrad“; der (möglicherweise) für den Übergeber mit dem Austausch verbundene unverhältnismäßig hohe Aufwand (der hier durch den Totalschaden am Motorrad entstanden wäre) bestünde nicht zufällig und wäre auch nicht etwa durch ein Verschulden des Übernehmers, sondern gerade durch den Mangel, für den der Übergeber einstehen muss, verursacht worden; der geltend gemachte Austauschanspruch nach § 932 Abs 2 ABGB besteht daher zu Recht


Schlagworte: Gewährleistungsrecht, Austausch des Wracks gegen ein neuwertiges Motorrad
Gesetze:

§ 932 ABGB, §§ 922 ff ABGB

GZ 6 Ob 151/12t [1], 08.05.2013

 

Der Kläger begehrt die Lieferung eines neuwertigen Motorrads von derselben Type wie das beim Unfall beschädigte Zug um Zug gegen Rückgabe des beschädigten Motorrads. Er stützt sich auf Gewährleistung und Schadenersatz und brachte vor, Grund für das Lösen des Kühlmittelschlauchs sei ein bereits ab Werk zu schwach angezogener Schlauchbinder, kombiniert mit den auftretenden Motorvibrationen, gewesen. Der Mangel sei bereits im Übergabezeitpunkt vorhanden gewesen und habe dazu geführt, dass Kühlflüssigkeit ausgetreten sei, auf deren Spur das Hinterrad ausgerutscht sei, wodurch der Kläger gestürzt sei. Im Rahmen der Gewährleistungspflicht sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ein neues Motorrad zur Verfügung zu stellen.

 

OGH: Gem § 932 Abs 2 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre.

 

Nach einhelliger Auffassung kommt das sich aus § 932 Abs 2 ABGB ergebende Wahlrecht zwischen Verbesserung und Austausch in Umsetzung von Art 3 Abs 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter dem Übernehmer, hier also dem Kläger, zu.

 

Der Kläger hat sich - wie sich aus seinem Klagebegehren ergibt - für den Austausch entschieden.

 

Davon abgesehen steht gar nicht fest, ob die „Verbesserung“ dergestalt, dass am Wrack des Motorrads die Schlauchverbindung zwischen Kühlmittelschlauch und Motor wiederhergestellt und fest verschraubt wird, überhaupt möglich ist. Möglicherweise ist das Wrack nämlich durch den Unfall derart deformiert oder zerstört, dass diese „Verbesserung“, die in der Tat sinnlos wäre, nicht mehr durchgeführt werden kann.

 

Nach ausgeübter Wahl des Übernehmers (hier für Austausch) liegt es aber am Übergeber (hier also an der Beklagten), sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten zu berufen, also die Einrede der Unverhältnismäßigkeit zu erheben, wenn er den Übernehmer auf den anderen primären oder die sekundären Gewährleistungsbehelfe verweisen will.

 

Die Beklagte hat die Einrede der Unverhältnismäßigkeit in erster Instanz aber nicht erhoben, sodass entgegen den Vorinstanzen darauf nicht einzugehen ist. Eine allfällige Unverhältnismäßigkeit ist auch nicht offenkundig, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beklagte mit ihrem Vormann, von dem sie das Motorrad bezogen hat (zB von einem Großhändler oder vom Hersteller), entsprechende Rücknahmevereinbarungen im Fall eines beim Letztverbraucher auftretenden Mangels hat (vgl auch § 933b ABGB und Art 4 der Richtlinie).

 

Die Möglichkeit des Übernehmers, hier den Austausch zu verlangen, erweist sich auch aus folgenden Gründen als sachgerecht: Mangelhaft war hier nicht bloß die Schlauchverbindung, sondern die ganze Sache „Motorrad“. Der (möglicherweise) für den Übergeber mit dem Austausch verbundene unverhältnismäßig hohe Aufwand (der hier durch den Totalschaden am Motorrad entstanden wäre) bestünde nicht zufällig und wäre auch nicht etwa durch ein Verschulden des Übernehmers, sondern gerade durch den Mangel, für den der Übergeber einstehen muss, verursacht worden.

 

Der geltend gemachte Austauschanspruch nach § 932 Abs 2 ABGB besteht daher zu Recht. Ob der Anspruch auch aus dem Titel des Schadenersatzes zu Recht besteht, muss nicht mehr geprüft werden.