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15.07.2013 Zivilrecht

OGH: § 1310 ABGB ist nur zu § 1309 ABGB subsidiär

Die Billigkeitshaftung gem § 1310 ABGB ist nur gegenüber der Haftung der Aufsichtsperson nach § 1309 ABGB subsidiär, nicht aber gegenüber sonstigen Ersatzpflichtigen; bei beträchtlichem Verschulden kann die Haftung über die Höhe der Versicherungssumme hinaus mit 2/3 beschränkt werden


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Aufsichtsperson, Billigkeitshaftung, Tragfähigkeitshaftung, unmündiger Schädiger, Solidarhaftung
Gesetze:

§ 1309 ABGB, § 1310 ABGB, § 1302 ABGB

GZ 6 Ob 214/12g [1], 08.05.2013

 

Der 13 Jahre alte Beklagte besuchte ein Strandbad und sprang mit Erlaubnis des Bademeisters unachtsam von einem behördlich gesperrten Sprungturm auf den Kläger, welcher am Körper verletzt wurde. Der Geschäftsführer des Strandbades wurde auf Grund unterlassener Absperrmaßnahmen rechtskräftig wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

OGH: Aufsichtspflichtige Personen nach § 1309 ABGB sind Eltern, Lehrer, Kindergärtnerinnen, Betreuer in einem Jugendwohnheim, Erzieher etc; eine Badeanstalt verpflichtet sich allein durch den Verkauf von Eintrittskarten aber nicht dazu, die den Eltern zukommende Aufsichtspflicht über einen Minderjährigen für die Zeit des Badbesuchs zu übernehmen. Die Haftung des Deliktsunfähigen selbst nach § 1310 ABGB ist gegenüber der Haftung eines Aufsichtspflichtigen subsidiär, sie erfasst sowohl jene Fälle, in denen den Aufsichtspflichtigen mangels Verschuldens keine Ersatzpflicht trifft, als auch jene der nicht erfolgreichen Durchsetzung und Einbringlichkeit eines an sich bestehenden Ersatzanspruchs gegen den Aufsichtspflichtigen.

Diese Subsidiarität betrifft aber nur die Ansprüche gegenüber den in § 1309 ABGB genannten Personen und nicht gegenüber sonstigen Ersatzpflichtigen. Die Haftung eines Dritten, der etwa deshalb schadenersatzpflichtig wird, weil er den Unmündigen zur Schädigung veranlasst hat, steht einer Anwendung des § 1310 ABGB nicht entgegen. Daher hat die Rsp bei gemeinsamer Schadensverursachung durch mündige und unmündige Minderjährige auch eine solidarische Haftung nach § 1302 ABGB bejaht. Hinreichende oder gar überwiegende Gründe, von dieser Rsp abzukehren und die Subsidiarität der Haftung nach § 1310 ABGB generell auf Fälle eines deliktsfähigen Mit- oder Nebentäters auszuweiten, bestehen nicht. Die Haftung des Beklagten ist daher nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil möglicherweise auch die Badbetreiberin oder deren Geschäftsführer dem Kläger haftet.

Beim Ausmaß des Ersatzes gem § 1310 ABGB sind alle vorhandenen Elemente in die Billigkeitserwägung mit einzubeziehen, so etwa auch eine Haftpflichtversicherung des Schädigers. Nach den konkreten Umständen kann es der Billigkeit entsprechen, die Haftung des Schädigers auf das Maß der Deckung durch die Haftpflichtversicherung zu beschränken. Vorliegendenfalls ist dem Schädiger das subjektive Einsichtsvermögen in die Gefährlichkeit seiner Handlungsweise voll zuzurechnen und dem im Schädigungszeitpunkt 13-jährigen Beklagten trifft ein gewichtiges Maß an Fahrlässigkeit, weshalb die Haftung von 2/3 über die Höhe der Versicherungssumme hinaus nicht zu beanstanden ist.