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05.08.2013 Zivilrecht

OGH: Verkehrssicherungspflichten eines Spielgeländebetreibers (hier: iZm Schiwippe auf „Kinderschneealm“)

Wippen und Schaukeln sind allgemein übliche Bestandteile der Einrichtung von Spielplätzen; ihre einfache Funktionsweise, aber auch das Wissen, dass es gefährlich ist, in den Bewegungsradius dieser Geräte zu laufen, bevor sie zum Stillstand gekommen sind, gehört bereits zum Erfahrungsschatz von Kleinkindern; von Kindern, deren körperliche und geistige Reife bereits ausreicht, um den notorisch mit erhöhter Verletzungsgefahr verbundenen alpinen Schisport auszuüben (und umso mehr von ihren erwachsenen Aufsichtspersonen) ist dementsprechend zu erwarten, dass sie ohne weiteres in der Lage sind, beim Anblick der gegenständlichen Wippe deren Funktionsweise zu erfassen und auch zu verstehen, dass das Befahren erst nach dem Zurückkippen in die Ausgangsstellung gefahrlos möglich ist


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Spielgeländebetreiberhaftung, Verkehrssicherungspflicht, Wippe
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 8 Ob 14/13m [1], 27.06.2013

 

OGH: Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; das gilt insbesondere für die Ausgestaltung von Spielplätzen und Spielgeräten wie der gegenständlichen Schiwippe, wenngleich hier mit Rücksicht auf die Verkehrsbeteiligten strengere Maßstäbe anzulegen sind.

 

In erster Linie kommt es darauf an, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind und in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer vorhandene Gefahren selbst erkennen und ihnen begegnen können. Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt zur Gänze, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung, erkennbar ist.

 

Zu den Verkehrssicherungspflichten des Betreibers eines frei zugänglichen Schiübungsgeländes für Kinder gehört es nach diesen Grundsätzen, nur technisch einwandfrei funktionierende und im Gelände deutlich gekennzeichnete Spiel- bzw Übungsgeräte aufzustellen, deren Funktionsweise auch Kleinkindern ohne besondere Mühe erkennbar ist und die keine versteckten, ohne Funktionsverlust vermeidbaren Gefahrenstellen aufweisen. Es würde die Verkehrssicherungspflichten aber überspannen, dem Pistenbetreiber die Verantwortung für die Verhinderung jeder überhaupt nur irgendwie denkbaren Art von Unfällen zuzuweisen.

 

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die vom Kläger benutzte Wippe im Unfallszeitpunkt ihrer Bestimmung entsprechend funktionierte und keinen technischen Mangel aufwies.

 

Wippen und Schaukeln sind allgemein übliche Bestandteile der Einrichtung von Spielplätzen; ihre einfache Funktionsweise, aber auch das Wissen, dass es gefährlich ist, in den Bewegungsradius dieser Geräte zu laufen, bevor sie zum Stillstand gekommen sind, gehört bereits zum Erfahrungsschatz von Kleinkindern.

 

Von Kindern, deren körperliche und geistige Reife bereits ausreicht, um den notorisch mit erhöhter Verletzungsgefahr verbundenen alpinen Schisport auszuüben (und umso mehr von ihren erwachsenen Aufsichtspersonen) ist dementsprechend zu erwarten, dass sie ohne weiteres in der Lage sind, beim Anblick der gegenständlichen Wippe deren Funktionsweise zu erfassen und auch zu verstehen, dass das Befahren erst nach dem Zurückkippen in die Ausgangsstellung gefahrlos möglich ist.

 

Von einem Kind, dem solche grundlegenden Fähigkeiten aus welchen Gründen auch immer fehlen, wäre auch nicht anzunehmen, dass es statt dessen die vom Berufungsgericht vorgeschlagene Erläuterung auf einer Piktogrammtafel beachten und verstehen würde.

 

Eine solche Hinweistafel könnte außerdem zwar das Bewusstsein für die offenkundige Gefahr der sich bewegenden Wippe erhöhen, aber ein unzureichendes Einschätzungsvermögen des Kindes, welcher Tiefenabstand konkret notwendig ist, nicht verbessern.

 

Der Kläger befand sich im Unfallszeitpunkt unter Aufsicht seiner Mutter, weshalb offenkundig auch ein ausgeschildertes Verbot der Benützung der „Kinderschneealm“ ohne erwachsene Begleitung (zusätzlich zu der vorhandenen Tafel „Benützung auf eigene Gefahr“) den Unfall nicht verhindern hätte können.

 

Da die vom Berufungsgericht für notwendig erachteten Warntafeln objektiv nicht geeignet gewesen wären, die Sicherheit der Benützung der Schiwippe in relevantem Ausmaß zu erhöhen, kann in ihrem Fehlen kein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten erblickt werden.