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09.09.2013 Zivilrecht

OGH: Zum Umfang der Dienstbarkeit des Fahrrechts (§ 492 ABGB)

Servituten dürfen zwar nicht ausgedehnt werden, sie sollen aber der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst werden können; ob etwa die Fuhren mit Pferdefuhrwerk oder mit Lastkraftwagen und Traktor durchgeführt werden, fällt nicht ins Gewicht, da der Eigentümer des herrschenden Guts nicht gehalten ist, den landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise zu führen


Schlagworte: Servitut, Fahrrecht
Gesetze:

§§ 472 ff ABGB, § 492 ABGB, § 484 ABGB

GZ 9 Ob 28/13b [1], 24.07.2013

 

OGH: Für den Umfang der Dienstbarkeit des Fahrrechts (§ 492 ABGB) ist das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend, soweit nicht die Betriebsform des herrschenden Guts wesentlich geändert wird oder der Belastete eine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet. Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde, was also der Eigentümer des herrschenden Guts während dieser Zeit benötigte.

 

Servituten dürfen zwar nicht ausgedehnt werden, sie sollen aber der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst werden können. Der Servitutsberechtigte darf das Recht, über das dienende Grundstück mit allen Wirtschaftsfuhren zu fahren, zwar nicht auf andere Wirtschaftsarten ausdehnen. Ob aber etwa die Fuhren mit Pferdefuhrwerk oder mit Lastkraftwagen und Traktor durchgeführt werden, fällt nicht ins Gewicht, da der Eigentümer des herrschenden Guts nicht gehalten ist, den landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise zu führen.

 

Der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit ist in ein billiges Verhältnis zu setzen, wobei aber keine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entstehen darf. Dabei ist insbesondere auf die Natur und den Zweck der Dienstbarkeit abzustellen. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird. Ziel der Interessenabwägung ist es stets, dem Dienstbarkeitsberechtigten den angestrebten Vorteil zu ermöglichen, dem Verpflichteten aber so wenig wie möglich zu schaden.

 

Diese gem § 484 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung ist ebenso wie die Frage des Ausmaßes und Umfangs einer Dienstbarkeit stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt diente der seinerzeitige Karrenweg bereits seit unvordenklicher Zeit, jedenfalls schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs der Bewirtschaftung einer Alm als Viehtriebsweg und Zufahrt bzw Zugang zur Almhütte. Wurden früher größere Transporte noch mit einem Pferdekarren mit einer Breite von 1,20 bis 1,40 m durchgeführt, so wurde der Weg, dessen Verlauf sich im Laufe der Zeit zwar leicht veränderte, im Wesentlichen aber gleich blieb, in der Folge auch mit Allradtraktoren befahren. Nach wie vor wird der Weg vom Beklagten, ca 5 bis 6 mal jährlich, zum Zwecke der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Almhütte - nunmehr mit seinem 1,95 m breiten geländegängigen Fahrzeug VW Amarok - befahren.

 

Wenn die Vorinstanzen aufgrund dieser Umstände die Begehren des Klägers, die darauf abzielen, dass dem Beklagten kein Fahrrecht mit Fahrzeugen aller Art, ausgenommen Traktoren und gleichartig ausschließlich der Landwirtschaft dienenden Nutzfahrzeugen zu ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken, zustehe, abgewiesen haben, dann ist diese Entscheidung im Einzelfall jedenfalls vertretbar und begründet keinen Korrekturbedarf.