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09.09.2013 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Aufzeichnungspflicht betreffend Arbeitsstunden – verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers?

Selbst wenn die Aufzeichnungspflicht betreffend die Arbeitsstunden dem jeweiligen Arbeitnehmer durch Vereinbarung iSd § 26 Abs 2 AZG übertragen wird, bleibt die (auch) verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die regelmäßige Kontrolle und die Aufbewahrung der Aufzeichnungen beim Arbeitgeber


Schlagworte: Arbeitszeitrecht, Arbeitsstunden, Mehrstunden / Überstunden, Aufzeichnungspflicht, keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers, Beweislast
Gesetze:

§ 26 AZG, § 28 AZG, § 9 VStG, § 273 ZPO

GZ 8 ObA 46/13t [1], 30.07.2013

 

OGH: Der Hinweis des Beklagten auf eine angebliche verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin ist verfehlt. Die Sanktion nach § 28 Abs 1 Z 3 AZG trifft den Arbeitgeber. Selbst wenn die Aufzeichnungspflicht betreffend die Arbeitsstunden dem jeweiligen Arbeitnehmer durch Vereinbarung iSd § 26 Abs 2 AZG übertragen wird, bleibt die (auch) verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die regelmäßige Kontrolle und die Aufbewahrung der Aufzeichnungen beim Arbeitgeber. Den Arbeitnehmer selbst trifft keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit. Der Arbeitgeber hat nur die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen verantwortlichen Beauftragten zu bestellen und die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung an diesen nach § 9 Abs 2 und 3 VStG zu delegieren. Eine solche Bestellung ist nach § 23 ArbIG erst wirksam, nachdem beim Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Außerdem können Arbeitnehmer nur dann zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

 

Eine Verschiebung der Beweislast für die Erbringung von Mehrstunden bzw Überstunden tritt durch die Schätzung nach § 273 ZPO nicht ein. Ebenso wenig verliert der Arbeitnehmer sein Recht auf Abgeltung der Mehrarbeitsstunden durch fehlerhafte oder ungenaue Arbeitsaufzeichnungen. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann von der in Rede stehenden Norm also nicht nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Verletzung der Aufzeichnungspflicht von der Arbeitgeberseite zu verantworten ist. Außerdem ist der Beklagte noch einmal daran zu erinnern, dass sich der Arbeitgeber selbst im Fall einer Vereinbarung iSd § 26 Abs 2 AZG der Kontroll- und Aufbewahrungspflicht hinsichtlich der Arbeitsaufzeichnungen nicht entledigen kann.

 

Der Arbeitgeber kann sich seiner Zahlungspflicht auch nicht etwa durch die Zusicherung entziehen, er werde die Mehrarbeitsstunden bezahlen, wenn es ihm finanziell besser gehe.