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07.02.2014 Zivilrecht

OGH: Zur Änderungskündigung eines Wasserlieferungsvertrages durch einen Monopolisten

Auch vorwerfbare, weil vorhersehbare Fehleinschätzungen (Kalkulationsfehler), die dazu führen, dass für einen kostendeckenden Betrieb zu geringe Entgelte angesetzt wurden, berechtigen den Monopolisten zur Änderungskündigung, wenn sonst die Insolvenz droht


Schlagworte: Monopolist, Kontrahierungszwang, Änderungskündigung, Dauerschuldverhältnis
Gesetze:

§ 879 ABGB, § 936 ABGB, § 1090 ABGB, § 5 K-GWVG

GZ 6 Ob 182/13b [1], 28.11.2013

 

OGH: Der Monopolist kann Wasserbezugsverträge aufkündigen, wenn die Aufrechterhaltung der Verträge für ihn unzumutbar wird: Die Änderungskündigung eines Dauerschuldverhältnisses kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die wirtschaftliche Existenz eines Vertragspartners durch die Aufrechterhaltung des Dauerschuldverhältnisses gefährdet wäre. Ein Unternehmer der Daseinsvorsorge muss daher die Wasserversorgung nicht aufgrund von Altverträgen fortsetzen, wenn er sein Unternehmen aufgrund nicht mehr kostendeckender Entgeltvereinbarungen in Altverträgen nur noch defizitär führen kann.

 

Daraus folgt, dass - anders als in der „freien Marktwirtschaft“ - auch vorhersehbare Kalkulationsfehler, die dazu führen, dass für einen kostendeckenden Betrieb zu geringe Entgelte angesetzt wurden, den Monopolisten zu einer Änderungskündigung berechtigen, wenn sonst die Insolvenz droht. Insoweit sind nämlich die Abnehmer des Monopolisten nicht negativ betroffen: Hätte der Monopolist gleich richtig kalkuliert, so hätte er sofort ein höheres Entgelt verlangt und die Kunden hätten schon früher das höhere, kostendeckende Entgelt bezahlen müssen.

 

Bei unternehmerischen Fehlentscheidungen, die zur Insolvenzgefahr beim Monopolisten führen, kommt es für die Überwälzung dieser Kosten auf die Kunden im Weg der Änderungskündigung darauf an, ob im Vorhinein, also im Zeitpunkt der Entscheidung, die Fehlerhaftigkeit erkennbar war. Trifft dies zu, rechtfertigt es keine Änderungskündigung.

 

War hingegen im Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung deren Fehlerhaftigkeit auch unter dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB nicht erkennbar, so darf der Monopolist selbst dann, wenn sich nachträglich diese unternehmerische Entscheidung als ungünstig herausstellt, die negativen Folgen einer solchen Entscheidung auf die Kunden überwälzen. Dabei ist freilich zu beachten, dass ein Monopolist, der im Gesetz gegründete Versorgungspflichten (hier gem § 5 Abs 1 K-GWVG) wahrnimmt, bei (stets mit einem gewissen Risiko verbundenen) unternehmerischen Entscheidungen tendenziell wohl weniger Risiko eingehen darf als ein nicht monopolistischer Unternehmer auf dem „freien Markt“.

Sofern der wirtschaftliche Misserfolg eines Monopolisten aus dem Äquivalenzprinzip widersprechenden, womöglich gesetzwidrigen Maßnahmen resultiert (zB Querfinanzierungen), kann dies freilich nicht auf die Kunden überwälzt werden. Sollte ein Monopolist durch derartige Umstände in finanzielle Nöte kommen, ist vielmehr derjenige verpflichtet, der Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgelagert hat, an die ausreichende finanzielle Dotierung zur Abwendung einer Insolvenz des Monopolisten zu denken.