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12.05.2014 Zivilrecht

OGH: Zur Frage des Mindestumfangs der Behauptungs- und Beweispflichten eines Geschädigten nach dem PHG

Der Anspruch eines Geschädigten nach dem PHG ist nicht davon abhängig, dass er den genauen Ort und die Ursache des schadensverursachenden Defekts benennen kann; er muss daher nicht präzisieren, ob er den Defekt auf einen Produktions-, Konstruktions- oder Instruktionsfehler oder eine Kombination davon zurückführt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Produkthaftung, Beweislast
Gesetze:

§ 5 PHG, § 7 PHG

GZ 8 Ob 91/13k [1], 24.03.2014

 

OGH: Dem Geschädigten obliegt nur der Beweis des Produktfehlers und des Kausalzusammenhangs zwischen Produktfehler und Schaden, den Beweis, welcher Bestandteil defekt wurde, muss er hingegen nicht führen. Für den Beweis des Fehlers hat der Geschädigte nur die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die ein Urteil darüber ermöglichen, ob ein Fehler nach § 5 PHG vorliegt. Die Qualifikation selbst gehört zur rechtlichen Beurteilung. Ob die Fehlerhaftigkeit des Produkts als Produktions-, Konstruktions- oder Instruktionsfehler zu beurteilen ist, macht dabei rechtlich keinen Unterschied.

 

Vorgebracht - und mittlerweile auch unstrittig - ist, dass sich der von der Beklagten in Verkehr gesetzte Weintemperierschrank während seines bestimmungsgemäßen Betriebs im Haushalt der Erst- und Zweitkläger aufgrund eines technischen Defekts selbst entzündet hat und dieser Brand kausal für erhebliche Schäden am Haus und Inventar der Kläger war. Damit sind die Kläger entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ihrer Behauptungs- und Beweispflicht für das Vorliegen eines Produktfehlers iSd § 5 PHG nachgekommen.

 

Der Anspruch eines Geschädigten nach dem PHG ist aber nicht davon abhängig, dass er den genauen Ort und die Ursache des schadensverursachenden Defekts benennen kann. Er muss daher nicht präzisieren, ob er den Defekt auf einen Produktions-, Konstruktions- oder Instruktionsfehler oder eine Kombination davon zurückführt.

 

Der Geschädigte muss im Produkthaftungsprozess nur nachweisen, dass der Produktfehler im Zeitpunkt der Schadenverursachung vorlag. Ist ihm dies gelungen, dann liegt es nach § 7 Abs 2 PHG am in Anspruch genommenen Unternehmer, seinerseits zu behaupten und als wahrscheinlich darzutun, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als er es in Verkehr gebracht hat.

 

Das Berufungsgericht zieht im vorliegenden Fall den Schluss, die Kläger hätten keinen Produktionsfehler nachweisen können, weil die Ursache der defekten Isolation der Leitungen nicht festgestellt werden konnte. Damit weist es ihnen aber eine nicht mit dem Gesetz vereinbare Beweislast zu. Nicht nur wird dabei außer Acht gelassen, dass der Brand von einer Überhitzung aufgrund eines Windungsschlusses im Vorschaltgerät seinen Ausgang genommen hat und allein schon in diesem Defekt - dessen nachträgliche Entstehung gar nicht behauptet wurde - ein potentiell gefährlicher Produktfehler lag.

 

Vor allem war es aber nicht Sache der Kläger zu beweisen, dass die Isolierung der wegen Überhitzung in Brand geratenen Leitungen bereits bei Inverkehrbringen des Geräts schadhaft war, sondern vielmehr Sache der Beklagten, eine spätere Beschädigung zu behaupten und als wahrscheinlich darzutun.

 

Unter „Wahrscheinlichkeit“ iSd § 7 Abs 2 PHG ist eine überwiegende, also mehr als 50%ige Wahrscheinlichkeit, dass der Fehler bei Inverkehrbringen noch nicht vorlag, zu verstehen. Jedes geringere Maß („hohe Wahrscheinlichkeit“) bedeutet nämlich - da nur zwei Alternativen bestehen - die gleiche oder überwiegende Wahrscheinlichkeit des Gegenteils. Würde allein schon die Möglichkeit einer nachträglichen Beschädigung (hier: nur eine von drei festgestellten Varianten) genügen, um die Wahrscheinlichkeit iSd § 5 Abs 2 PHG „darzutun“, wie das Berufungsgericht meint, würde damit die gesetzliche Beweislastumkehr ins glatte Gegenteil verkehrt.