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17.05.2014 Zivilrecht

OGH: Haushaltsversicherung mit gehobener Deckung – „Gefahren des täglichen Lebens“ gem Art 8 ABHG

Der Raufhandel eines 18-jährigen Burschen mit einem anderen in einer Diskothek, wobei er unabsichtlich ein unbeteiligtes Mädchen verletzt, stellt keine „Gefahr des täglichen Lebens“ dar


Schlagworte: Versicherungsrecht, Haushaltsversicherung mit gehobener Deckung, Haftpflichtversicherung, Kinder, Gefahren des täglichen Lebens, Raufhandel, Verletzung Dritter, Schadenersatz
Gesetze:

Art 8 ABHG

GZ 7 Ob 245/13z [1], 26.02.2014

 

Die Streitteile haben eine Bündelversicherung abgeschlossen. Davon umfasst ist eine Haushalts- samt Privathaftpflichtversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen ua die Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung mit gehobener Deckung (ABHG) 2007 zu Grunde. Diese lauten auszugsweise:

 

„Art 8

Was ist versichert?

 

1. Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens, insbesondere […]

 

Art 10

Wer ist versichert?

 

Die Versicherung umfasst auch gleichwertige Schadenersatzverpflichtungen

 

[...]

 

2. der minderjährigen Kinder (auch Enkel-, Adoptiv-, Pflege- und Stiefkinder) des Versicherungsnehmers, seines mitversicherten Ehegatten oder Lebensgefährten, und darüber hinaus bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, aber nur solange die Kinder über keinen eigenen Haushalt und kein regelmäßiges Einkommen verfügen;

 

[...]“

 

OGH: Die vorliegende Haftpflichtversicherung umfasst den Versicherungsschutz gegen Gefahren des täglichen Lebens.

 

Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahren des täglichen Lebens“ (Art 8 ABHG) ist nach stRsp dahin auszulegen, dass der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren umfasst, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss. Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten mitabgedeckt. Für das Vorliegen einer „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nicht erforderlich, dass solche Gefahren nahezu täglich auftreten; vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine geradezu ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit und Sorglosigkeit eines Verhaltens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualifikation als solche des täglichen Lebens nimmt. Voraussetzung für einen aus der Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadensfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers. Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zugrunde.

 

Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall aber dadurch, dass der Sohn des Klägers aktiv in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt war. Das bewusste Einlassen in einen Raufhandel schafft eine Situation, die nicht nur eine Gefahr für die daran Beteiligten mit sich bringt, sondern auch für daran unbeteiligte Dritte, ohne dass dafür die geringste Notwendigkeit besteht. Die Gefährlichkeit und die möglichen Folgen solchen Handelns müssen jedem Erwachsenen bewusst sein. Ein Raufhandel ist kein bloßer Jux, sondern umfasst bewusste Angriffe gegen die körperliche Unversehrtheit und birgt ein entsprechend hohes Gefahrenpotential sowohl für den oder die unmittelbaren Gegner als auch für unbeteiligte, sich zufällig am Austragungsort aufhaltende Personen. Ein vernünftiger Durchschnittsmensch gerät üblicherweise gerade nicht als aktiv Beteiligter in einen Raufhandel. Die Gefahren, die solchen nach allgemeinem Bewusstsein nicht zu tolerierenden Akten entspringen, gehören nicht zum täglichen Leben.

 

Der Raufhandel, an dem der Sohn des Klägers aktiv beteiligt war, und die - wenn auch fahrlässig - herbeigeführte schwere Verletzung des unbeteiligten Mädchens stellen keine Gefahr des täglichen Lebens dar.