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11.08.2014 Zivilrecht

OGH: Rücktritt vom Werkvertrag ohne Nachfristsetzung?

Ob derartig wichtige Gründe vorliegen, die zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen würden, ist immer eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt; diesbezüglich trifft überdies den Kläger die Behauptungslast


Schlagworte: Werkvertrag, Rücktritt ohne Nachfristsetzung, unzumutbar
Gesetze:

§§ 1165 ff ABGB, § 918 ABGB, § 920 ABGB

GZ 2 Ob 163/13d [1], 22.05.2014

 

OGH: Nach § 918 ABGB kann ein Rücktritt wegen Schuldnerverzugs nur unter gleichzeitiger Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung erklärt werden. Der Rücktritt wird erst nach einer angemessenen Nachfrist wirksam. Schuldnerverzug wird auch dann begründet, wenn eine vom Geschuldeten abweichende, etwa mangelhafte Leistung angeboten wird. Von der Nachfristsetzung kann dann abgesehen werden, wenn der Schuldner offensichtlich nicht in der Lage ist, die Erfüllung der bedungenen Leistung nachzuholen oder sich weigert, die Leistung vertragskonform zu erbringen.

 

Ein Fall, bei dem es aus den soeben erwähnten Gründen keiner Setzung einer Nachfrist bedurfte, liegt hier nicht vor. Der Kläger hat sein Begehren zwar zunächst darauf gestützt, dass der Beklagte zur Erbringung der bedungenen Leistung nicht in der Lage sei, weil er über keine Gewerbeberechtigung verfüge und kein planender Baumeister sei. Das Erstgericht vermochte aber nicht festzustellen, dass beim Vertragsabschluss das Vorliegen auch nur einer dieser Qualifikationen vorausgesetzt worden wäre. In der Revision kommt der Kläger auf diese Begründung seines Anspruchs nicht mehr zurück. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Mängel des Einreichplans seien verbesserungsfähig, bleibt unwidersprochen. Auch die weiterhin vorhandene Erfüllungsbereitschaft des Beklagten wird vom Kläger in seinem Rechtsmittel nicht in Frage gestellt.

 

In der jüngeren Rsp des OGH werden über die in den §§ 918, 920 ABGB geregelten Fälle hinaus auch bei Zielschuldverhältnissen Rücktrittsrechte aus wichtigem Grund anerkannt. Sowohl der Werkbesteller als auch der Werkunternehmer haben das Recht zum Rücktritt vom Werkvertrag, wenn sie das Vertrauen in den Vertragspartner wegen dessen treuwidrigen Verhaltens verloren haben, sodass ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann. § 918 Abs 2 ABGB sanktioniert nicht nur den Leistungsverzug, sondern auch den in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergeht.

 

Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit der vom Kläger relevierten Frage, ob der „gegenständliche Vertragstypus“ auch Elemente eines Berater- oder Bevollmächtigungsvertrags enthält. Unter den genannten Umständen kann nach der erörterten Rsp auch ein Werkvertrag mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden.

 

Ob allerdings derartig wichtige Gründe vorliegen, die zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen würden, ist immer eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt.

 

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen beurteilen müssen, ob die festgestellten Mängel des Plans so gravierend seien, dass sie mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergingen und die Setzung einer Nachfrist nicht erforderlich gewesen sei.

 

Er verkennt damit zunächst die ihn treffende Behauptungslast, die der OGH bereits in mehreren einschlägigen Entscheidungen hervorgehoben hat (vgl 4 Ob 587/87 [offensichtliche Unfähigkeit zur Fertigstellung des Werks]; 1 Ob 101/00k [schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens]; 9 Ob 35/07y [Erschütterung des Vertrauens]). Der Kläger hat sich in erster Instanz zunächst nur auf Rücktritts- oder Auflösungsgründe berufen, deren Vorliegen er nicht unter Beweis zu stellen vermochte. Erst in der letzten mündlichen Streitverhandlung hat er sich auch auf die erhebliche Fehlerhaftigkeit des Einreichplans gestützt, ohne jedoch - wie er in seinem Revisionsvorbringen implizit selbst zugesteht („von Amts wegen“) - Behauptungen zur nun relevierten Vertrauenserschütterung aufzustellen.

 

Ungeachtet dessen hat das Berufungsgericht aber ohnedies geprüft, ob sich anhand des festgestellten Sachverhalts die Annahme eines Vertrauensverlusts des Klägers in einem Ausmaß rechtfertigen ließe, dass diesem eine Verbesserung der Mängel durch den Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen wäre, und diese Frage verneint.