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11.08.2014 Verfahrensrecht

OGH: Zur Anwendbarkeit des § 139 Abs 2 AußStrG auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigungen vermögensrechtlicher Angelegenheiten Pflegebefohlener

Im Verfahren über die Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener (§ 132 AußStrG) findet nach § 139 Abs 2 AußStrG ein Abänderungsverfahren nicht statt


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Familienrecht, Vermögensrechte Pflegebefohlener, Genehmigung von Rechtshandlungen, Abänderungsverfahren
Gesetze:

§ 139 AußStrG, § 132 AußStrG, § 73 AußStrG

GZ 1 Ob 73/14p [1], 22.05.2014

 

OGH: Der 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG, BGBl I 2003/111 trägt die Überschrift „Vermögensrechte Pflegebefohlener“. Als erste Bestimmung findet sich in diesem Abschnitt der mit „Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener“ übertitelte § 132 AußStrG. § 133 AußStrG („Aufsicht über die Verwaltung des Vermögen Pflegebefohlener“) befasst sich mit der Erforschung des Vermögens Pflegebefohlener und der Überwachung von dessen Verwaltung. In den §§ 134 bis 138 AußStrG wird die Rechnungslegung geregelt. Der genannte Gesetzesabschnitt endet unter der Überschrift „Besondere Verfahrensbestimmungen“ mit § 139 AußStrG, der lautet:

 

„(1) Von Verfügungen des Gerichts ist der Pflegebefohlene, unabhängig von seiner Verfahrensfähigkeit, in Kenntnis zu setzen, soweit dies seinem Wohl dient.

 

(2) Ein Kostenersatz und ein Abänderungsverfahren finden nicht statt.“

 

In den ErläutRV heißt es dazu insbesondere:

 

„Abs 1 verstärkt die Stellung des Pflegebefohlenen durch die Verpflichtung des Gerichtes, ihm die Verfügungen zur Kenntnis zu bringen, soweit dies seinem Wohl dient, also ein effektives Informationsinteresse und eine minimale Verständigungsfähigkeit bestehen.

 

Abs 2 schließt jeden Kostenersatz, der mit dem rechtsfürsorglichen Charakter der Vermögenssorge unvereinbar wäre, ebenso wie das Abänderungsverfahren aus. Allfällige Mängel der laufenden Rechnung können bei der nächsten laufenden Rechnung - zB durch Änderung der numerischen Prämissen - korrigiert werden; der Versagung wie auch der Bestätigung der Schlussrechnung kommen verfahrensintern so geringe normative Wirkungen zu, dass auch sie aus verfahrensökonomischen Gründen nicht abänderbar sein sollen.“

 

Dem Umstand, dass die expliziten Überlegungen des Gesetzgebers zum Ausschluss des Abänderungsverfahren ausschließlich auf die Rechnungslegung abstellen und die in § 132 AußStrG geregelte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung oder Versagung mit keinem Wort erwähnen, kommt nicht die Bedeutung zu, welche ihr der Revisionsrekurswerber, der § 139 Abs 2 AußStrG nur auf die in den §§ 134 bis 138 leg cit geregelten Angelegenheiten angewendet wissen will, beimisst. Die gewünschte Einschränkung findet im Wortlaut der besonderen Verfahrensbestimmung des § 139 Abs 2 AußStrG nicht Deckung. Eine teleologische Reduktion, die er offensichtlich anstrebt, würde nach der Rsp des OGH den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks erfordern, an dem sich die (letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende) Auslegung orientieren soll. Es müsste iSd höchstgerichtlichen Rsp nachgewiesen werden, dass das Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener (§ 132 AußStrG) von den Grundwertungen oder Zwecken des § 139 Abs 2 AußStrG entgegen dessen Wortlaut gar nicht getroffen wird und sich von den in den §§ 133 bis 138 AußStrG geregelten Angelegenheiten so weit unterscheidet, dass eine Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre.

 

Weder das Gesetz selbst noch die zitierten Materialien bieten irgendeinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Gesetzgeber Verfahren über die Genehmigung von Rechtshandlungen Pflegebefohlener (§ 132 AußStrG) eine höhere Wertigkeit oder Bedeutung als den Aufgaben des Pflegschaftsgerichts bei der Aufsicht über die Verwaltung des Vermögens (§§ 133 ff AußStrG) zumessen und deshalb in den zuerst genannten Verfahren eine Abänderung gerichtlicher Entscheidungen nach den §§ 72 ff AußStrG zulassen wollte. Nach seinen Vorstellungen sollten die umfassende pflegschaftsgerichtliche Rechtsfürsorgepflicht im Bereich der Vermögensverwaltung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter und die Eingriffe vor allem auf die Abwendung akuter Gefährdungsfälle reduziert werden sowie der gerichtlichen Erforschungspflicht und der Pflicht des gesetzlichen Vertreters zur Rechnungslegung von Anfang an nur das nennenswerte Vermögen unterliegen. Im ersten Satz der Erläuterungen zu § 139 Abs 2 AußStrG wird außerdem die Vermögenssorge insgesamt ebenso angesprochen wie der Ausschluss des Abänderungsverfahrens. Auch das deutet darauf hin, dass diese Norm (wie auch § 139 Abs 1 AußStrG) nicht nur für die §§ 133 bzw 134-138 leg cit gelten soll. Nimmt der Gesetzgeber in allen Rechnungslegungsangelegenheiten, demnach auch in Fällen hoher Vermögen von Pflegebefohlenen, bewusst in Kauf, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Genehmigung einer Schlussrechnung keiner Abänderung iSd § 73 AußStrG unterliegt, kann ihm eine gegenteilige Zielvorstellung bei der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung von Rechtsgeschäften Pflegebefohlener wohl nicht unterstellt werden.