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23.08.2014 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Inanspruchnahme einer Karenz aus Anlass der Geburt eines weiters Kindes im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses iSd § 15h MSchG – zur Frage, ob die Urlaubsersatzleistung auf Basis der Teilzeitbeschäftigung oder einer Vollzeitbeschäftigung vorzunehmen ist

Aus dem eindeutigen Normtext des § 15j Abs 9 MSchG resultiert zwangsläufig, dass das Arbeitsverhältnis mit Inanspruchnahme der Karenz fortgesetzt wird, und zwar auf Basis jenes Arbeitszeitausmaßes, das ohne die Elternteilzeit gegolten hatte


Schlagworte: Mutterschutz, Urlaubsersatzleistung, Teilzeitarbeitsverhältnisses, Geburt eines weiters Kindes, Karenz
Gesetze:

§ 15j MSchG, § 6 UrlG, § 10 UrlG, § 9 UrlG, § 15h MSchG

GZ 9 ObA 62/14d [1], 25.06.2014

 

OGH: Die Urlaubsersatzleistung berechnet sich nach dem Ausfallprinzip. Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten, das er aus der Perspektive des Urlaubsbeginns verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte.

 

Gem § 15j Abs 9 MSchG endet die Teilzeitbeschäftigung der Dienstnehmerin vorzeitig mit der Inanspruchnahme einer Karenz oder Teilzeitbeschäftigung nach diesem Bundesgesetz für ein weiteres Kind.

 

Da der Begriff der Teilzeitbeschäftigung in den §§ 15h ff MSchG nichts anderes als die Herabsetzung der Arbeitszeit beschreibt, bedeutet das in Abs 9 leg cit normierte Enden der Teilzeitbeschäftigung der Dienstnehmerin nicht die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die Beendigung des nach Maßgabe der Teilzeitbeschäftigung bestehenden Arbeitszeitausmaßes. Aus diesem eindeutigen Normtext resultiert zwangsläufig, dass das Arbeitsverhältnis mit Inanspruchnahme der Karenz fortgesetzt wird, und zwar auf Basis jenes Arbeitszeitausmaßes, das ohne die Elternteilzeit gegolten hatte.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten wird eine Karenz damit auch nicht automatisch, sondern nur dann einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt, wenn die Karenz iSd § 15j Abs 9 MSchG eine Elternteilzeit beendet (was etwa bei der Karenzierung von einer regulären Teilzeitarbeit nicht der Fall wäre).

 

Die Beklagte weist auf die Absicht des Gesetzgebers hin, dass mit § 15j MSchG der Dienstnehmerin angesichts der Geburt eines weiteren Kindes nur die für dessen Betreuung erforderliche Flexibilität eingeräumt werden sollte, indem sie zwischen der Fortsetzung der bisherigen Teilzeitbeschäftigung, der Beantragung einer neuen Teilzeitbeschäftigung oder der Inanspruchnahme von Karenz wählen können sollte.

 

Aus § 15j Abs 9 MSchG geht hervor, dass eine neuerliche Schwangerschaft oder der Eintritt des absoluten Beschäftigungsverbots nach § 3 MSchG noch keine Auswirkungen auf eine bestehende Elternteilzeitbeschäftigung haben soll. Nicht nur der Gesetzestext, sondern auch die Erläuterungen halten aber klar und eindeutig fest, dass die Teilzeitbeschäftigung für das ältere Kind dann vorzeitig endet, wenn die Dienstnehmerin Karenz oder Teilzeitbeschäftigung für das Neugeborene in Anspruch nimmt. Die Ansicht der Beklagten würde nicht erklären, warum Abs 9 leg cit ein Ende der Teilzeitbeschäftigung infolge der Inanspruchnahme von Karenz anordnet. Mit dem Verweis auf den Willen des Gesetzgebers ist für sie daher nichts zu gewinnen.

 

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass die Urlaubsersatzleistung einer Dienstnehmerin, die nach der Geburt eines weiteren Kindes keine Karenz in Anspruch nimmt, sondern weiter in Elternteilzeit arbeitet und ihr Dienstverhältnis beendet, eine andere Berechnungsbasis haben kann. In einem solchen Fall würde das Dienstverhältnis auch nicht durch einen Austritt iSd § 15r MSchG beendet.

 

Da das Arbeitsverhältnis somit nicht „während einer Teilzeitbeschäftigung“ gem MSchG geendet hat, ist auch § 10 Abs 4 UrlG (Maßgeblichkeit der im Urlaubsjahr überwiegend geleisteten Arbeitszeit) nicht anwendbar.

 

Die Vorinstanzen sind damit zutreffend davon ausgegangen, dass die Urlaubsersatzleistung der Klägerin in der vorliegenden Konstellation auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung zu berechnen sind.