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14.10.2014 Zivilrecht

OGH: MRG – zur Frage, ob ein minutenlanger Wasservorlauf zur Abwendung der Gesundheitsgefahr des sonst stark bleihältigen Wassers zumutbar ist

Sind Bleirohre im Inneren des Hauses für eine Trinkwasserkontamination ursächlich, so trifft den Vermieter grundsätzlich eine Behebungspflicht unabhängig davon, ob es sich um Leitungen im Mietobjekt selbst oder Leitungen in den allgemeinen Teilen des Hauses handelt; der OGH hat bereits eine Erhaltungspflicht bei einem zur Behebung der Gesundheitsgefährdung ausreichenden Wasservorlauf von nur einer Minute mit der Begründung eines bloß geringfügigen Aufwands verneint


Schlagworte: Mietrecht, Erhaltungsarbeiten, Vermieter, Gesundheitsgefährdung, minutenlanger Wasservorlauf, bleihältiges Wasser
Gesetze:

§ 3 MRG, § 6 MRG

GZ 5 Ob 88/14y [1], 25.07.2014

 

OGH: Gem § 3 Abs 2 Z 2 MRG fallen Arbeiten, die zur Erhaltung der Mietgegenstände des Hauses erforderlich sind, in die Erhaltungspflicht des Vermieters, wenn es sich um die Behebung von ernsten Schäden des Hauses oder um die Beseitigung einer vom Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung handelt oder wenn sie erforderlich sind, um einen zu vermietenden Mietgegenstand in brauchbarem Zustand zu übergeben.

 

Die durch die Wohnrechtsnovelle 2006 (WRN 2006) eingefügte Verpflichtung des Vermieters zu Erhaltungsarbeiten im Inneren des Mietgegenstands, wenn von diesem eine erhebliche Gesundheitsgefährdung ausgeht, gilt infolge der Übergangsbestimmung des § 49e Abs 1 MRG sowohl bei Alt-als auch bei nach dem 30. 9. 2006 neu geschlossenen Mietverträgen.

 

Die Auffassung der Antragsgegner, dieser Tatbestand sei schon dann nicht erfüllt, wenn die erhöhte Bleikonzentration im Trinkwasser ausschließlich auf einer (Bleirohr-)Leitungsführung außerhalb des Mietobjekts beruhe, ist in dieser Allgemeinheit unzutreffend: Eine Erhaltungspflicht des Vermieters kann zwar nur eingreifen, wenn die Ursache für die Überschreitung des Grenzwerts innerhalb des Hauses zu finden ist, was etwa dann nicht der Fall ist, wenn das öffentliche Leitungsnetz der Gemeinden Quelle der Kontamination ist.

 

Sind aber Bleirohre im Inneren des Hauses für eine Trinkwasserkontamination ursächlich, so trifft den Vermieter grundsätzlich eine Behebungspflicht unabhängig davon, ob es sich um Leitungen im Mietobjekt selbst oder Leitungen in den allgemeinen Teilen des Hauses handelt. Die Gesundheitsgefährdung liegt in diesem Fall in der vom Vermieter zur Verfügung gestellten Wasserentnahmestelle im Mietobjekt, die Wasser mit einer erhöhten Bleikonzentration abgibt. Wäre also die Leitungsführung in allgemeinen Teilen des Hauses ursächlich für eine erhöhte Bleikonzentration in dem Wasser, das aus der im Mietobjekt der Antragsteller befindlichen Wasserentnahmestelle abgegeben wird, rechtfertigt dieser Umstand allein nicht die von den Antragsgegnern angestrebte Antragsabweisung.

 

Allerdings fehlen im Anlassfall Feststellungen dazu, ob und welche konkreten Rohre im Haus für eine erhöhte Bleikonzentration im Trinkwasser verantwortlich sind. Die Antragsgegner haben im Gerichtsverfahren ausdrücklich die Behauptung aufgestellt, dass sämtliche Wasserleitungen in den allgemeinen Teilen der Liegenschaft bereits in Kupfer oder Kunststoff ausgeführt seien. Damit ist nicht geklärt, ob eine allfällig erhöhte Bleikonzentration im Wasser überhaupt durch eine im Verantwortungsbereich der Antragsgegner stehende Leitungsführung verursacht ist. Ferner fehlen zur Beurteilung der erheblichen Gesundheitsgefährdung Feststellungen, wie hoch die Bleikonzentration des aus der Wasserentnahmestelle der Wohnung abgegebenen Wassers ist.

 

Sollte aufgrund der vom Erstgericht ergänzend zu treffenden Feststellungen eine gesundheitsgefährdend erhöhte Bleikonzentration durch im Haus verlaufende Leitungen erwiesen sein, wird unter Bedachtnahme auf § 6 Abs 1a MRG idF der WRN 2006 ferner zu prüfen sein, ob sich eine allfällige Gesundheitsgefährdung nicht durch andere zumutbare Maßnahmen abwenden lässt. Dafür bedürfte es insbesondere der Feststellung der Dauer des zur Behebung der gesundheitsgefährdenden Bleikonzentration erforderlichen Wasservorlaufs: Der OGH hat in der Entscheidung 5 Ob 233/04g eine Erhaltungspflicht bei einem zur Behebung der Gesundheitsgefährdung ausreichenden Wasservorlauf von nur einer Minute mit der Begründung eines bloß geringfügigen Aufwands verneint.

 

Die an dieser Entscheidung geübte Kritik ist insofern überholt, als der Gesetzgeber den in 5 Ob 233/04g zum Ausdruck kommenden Zumutbarkeitsgedanken in § 6 Abs 1a MRG in generalisierter Form unter ausdrücklicher Billigung des konkreten Ergebnisses der Entscheidung positiviert hat.

 

Klarzustellen ist jedoch, dass § 6 Abs 1a MRG nur die Zumutbarkeit für die Bewohner, also die Effektivität von Alternativmaßnahmen, anspricht. Hingegen hängt die Zuordnung einer Erhaltungsmaßnahme zu § 3 Abs 2 Z 2 zweiter Fall MRG nicht von der Höhe des dafür erforderlichen Aufwands ab.

 

Wegen des gänzlichen Fehlens von Tatsachenfeststellungen zu den strittigen Fragen kommt ein Eingehen auf die in diesem Verfahrensstadium bloß hypothetische Frage, ob den Mietern ein - zeitlich im Übrigen nicht näher spezifizierter - Wasservorlauf von „einigen Minuten“ zur Abwendung einer - nicht feststehenden - Gesundheitsgefährdung durch eine Bleikonzentration im Wasser, die aus einer Wasserleitung im Haus resultiert - was ebenfalls nicht feststeht - zumutbar ist, nicht in Betracht. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren daher zu den dargestellten Themen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen haben.