OGH > Zivilrecht
27.10.2014 Zivilrecht

OGH: Zur Reichweite der gewährleistungsrechtlichen Einstandspflicht eines Verkäufers eines als Bauland gewidmeten Grundstücks bei im Rahmen der Bauführung auftretenden Mehrkosten, die aus einer unerwarteten Bodenbeschaffenheit resultierten

Beim Erwerb eines Baugrundstücks ohne Hinweis auf eine besondere Bodenbeschaffenheit kann im Allgemeinen ein natürlich gewachsener Untergrund erwartet werden; für die Möglichkeit des Bauens nach einem bestimmten Plan oder zu einer bestimmten Zeit ist grundsätzlich nicht Gewähr zu leisten


Schlagworte: Gewährleistung, Erwerb eines Baugrundstücks ohne Hinweis auf eine besondere Bodenbeschaffenheit, Aufklärungspflicht, Mangel, Baulandwidmung
Gesetze:

§§ 922 ff ABGB

GZ 8 Ob 57/14m [1], 26.06.2014

 

OGH: Eine Mangelhaftigkeit iSe Vertragswidrigkeit besteht in einer qualitativen oder quantitativen Abweichung der Leistung vom vertraglich Geschuldeten. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen. Der Kaufgegenstand muss auch der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können. Die Vertragswidrigkeit eines Leistungsgegenstands ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrags zu beurteilen.

 

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass beim Erwerb eines Baugrundstücks ohne Hinweis auf eine besondere Bodenbeschaffenheit im Allgemeinen ein natürlich gewachsener Untergrund erwartet werden kann. Geschuldet wird die objektive Bebaubarkeit. Durch die allgemein gehaltene Mitteilung des Verwendungszwecks kann der Käufer das an die freie Auswahl des Kaufgegenstands geknüpfte Eigenrisiko grundsätzlich aber nicht auf den Verkäufer überwälzen. Den Vorinstanzen ist daher darin beizupflichten, dass für die Möglichkeit des Bauens nach einem bestimmten Plan oder zu einer bestimmten Zeit grundsätzlich nicht Gewähr zu leisten ist. Das Risiko erhöhter Baukosten trägt mangels gegenteiliger Vereinbarung grundsätzlich der Käufer.

 

Die objektive Bebaubarkeit des Grundstücks war im Anlassfall zweifellos gegeben. Dafür spricht schon die Baulandwidmung des hier fraglichen Grundstücks sowie der Umstand, dass der Klägerin für die Verwirklichung ihres Bauprojekts eine Baubewilligung erteilt wurde. Im Anlassfall kommt entscheidend hinzu, dass die Klägerin zunächst - entsprechend der Vertragslage - eine (vor-)gutachterliche Stellungnahme eingeholt hat. Danach wurde das Grundstück aus geotechnischer Sicht als bebaubar angesehen; größere Aushubtiefen sollten vermieden werden, um ein Nachrutschen der benachbarten Böschung auszuschließen. Im Rahmen des Bauverfahrens wurde von der Klägerin die Vorlage eines geotechnischen Bodengutachtens verlangt. Darin wurde der Untergrund grundsätzlich als standsicher bezeichnet. Aufgrund der großen Aushubtiefen wurde auf das Erfordernis entsprechender Sicherungsmaßnahmen hingewiesen.

 

Aus der zugrunde liegenden Vertragslage ergibt sich keine andere Risikoverteilung. Vielmehr wurde im Kaufvertrag ausdrücklich die Prüfung der Bebaubarkeit durch die Klägerin vorgesehen. Nach den Feststellungen machte der Beklagte auch keinerlei Äußerungen und Zusagen zur Bebaubarkeit des Grundstücks.

 

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass - für den Fall, dass der Beklagte keine Kenntnis von der Rutschhangeigenschaft (Kriechhang) des Grundstücks hatte - ein Gewährleistungsanspruch (Preisminderungsanspruch) nicht in Betracht kommt, erweist sich damit als nicht korrekturbedürftig.

 

Bei Unterlassung einer nach Treu und Glauben berechtigt erwarteten Aufklärung - hier über die allenfalls bekannte Bodenbeschaffenheit - darf nicht ohne weiteres eine schlüssige Zusage angenommen werden, wenn der Erwerber keine Auskünfte oder Belehrungen verlangt. Wenn aber der Verkäufer die Wichtigkeit der tatsächlich fehlenden Eigenschaft für den Käufer kennt oder diese zumindest erkennen muss, ist er bei Nichtaufklärung über das Fehlen der berechtigt erwarteten Eigenschaft grundsätzlich gewährleistungspflichtig.

 

Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass der Beklagte zu keiner Zeit in Kenntnis von allfälligen Hangrutschungen oder Kriechbewegungen gewesen sei; er sei auch nicht von den Grundnachbarn auf solche Umstände angesprochen oder gar mit Ansprüchen konfrontiert worden. Zudem wurde festgestellt, dass sich unmittelbar angrenzend an das fragliche Grundstück zahlreiche Einfamilienhäuser befinden, die zum Teil mehrgeschossig ausgeführt sind.