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03.11.2014 Zivilrecht

OGH: Zum Feststellungsinteresse bei Schäden aus Anlageberatung

Ein Feststellungsinteresse kann auch aus der Untunlichkeit der Naturalrestitution wegen der Beteiligung Dritter resultieren


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Anlegerschäden, Feststellungsinteresse, Untunlichkeit der Naturalrestitution
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1323 ABGB, § 228 ZPO

GZ 8 Ob 66/14k [1], 23.07.2014

 

OGH: Bei einer fehlerhaften Anlageberatung tritt der (reale) Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein. In diesem Fall gebührt dem Anleger grundsätzlich ein Anspruch auf „Naturalersatz“ in der Form, dass ihm Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere der zu deren Erwerb gezahlte Kaufpreis abzüglich erhaltener Zinsen bzw Dividenden zurückzuzahlen (Ankaufsfall) bzw der entgangene Verkaufserlös zu ersetzen ist (Verkaufsfall). Im Allgemeinen ist zudem die Entwicklung der gewünschten alternativen Veranlagung zu berücksichtigen. Der „Naturalersatz“ ist beim Anlegerschaden eine besondere Form des Geldersatzes. Eine Feststellungsklage des Anlegers ist dann zulässig, wenn dieser behauptet und nachweist, dass die „Naturalrestitution“ untunlich ist. Zusätzlich zu einem Leistungsbegehren in Form der „Naturalrestitution“ kommt ein Feststellungsbegehren insoweit in Betracht, als der Anleger behauptet und nachweist, dass ihm künftige, derzeit noch nicht bekannte Schäden entstehen können.

Ganz allgemein gilt, dass der Feststellungskläger sein rechtliches Interesse zu behaupten und zu beweisen hat. Davon ausgehend ist ein Feststellungsbegehren für nicht bezifferbare Folgeschäden sowie für potentielle künftige Schäden, sofern sie nicht auszuschließen sind, gerechtfertigt. Ein Feststellungsinteresse resultiert aber nicht schon allein aus den mit einer „Naturalrestitution“ („Naturalersatz“) allenfalls verbundenen Schwierigkeiten iZm der Zug-um-Zug-Rückabwicklung oder der Ermittlung der Alternativveranlagung.

Ein Feststellungsinteresse kann in der Uneinbringlichkeit der Ersatzforderung etwa wegen Zahlungsunfähigkeit des Beklagten oder in der Untunlichkeit der „Naturalrestitution“ bestehen. Eine solche Untunlichkeit ist im Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der sofortigen Rückabwicklung etwa wegen der Beteiligung Dritter zu bejahen, zB vorliegend bei einer Kombination von fondsgebundener Lebensversicherung und Kreditvertrag oder von Fremdwährungskredit und Tilgungsträger, bei der Rückabwicklung eines Bauherrenmodells durch die Übertragung von Miteigentumsanteilen oder bei der Rückübertragung einer Kommanditeinlage an einer GmbH & Co KG.