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20.01.2015 Verfahrensrecht

OGH: Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO in AGB

Zum Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO (Art 17 LGVÜ) müssen die eine Gerichtsstandklausel enthaltenden AGB spätestens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den Vertragspartnern vorliegen; die leichte Abfragbarkeit der AGB im Internet ändert an dieser Beurteilung nichts, wenn - wie hier - das sich auf seine AGB berufende Unternehmen nicht davon ausgehen durfte, dass der Vertragspartner die AGB durch Interneteinsicht noch vor Zustandekommen des Vertrags zur Kenntnis genommen hat, weil es unter diesen Umständen keinesfalls von einer tatsächlichen Zustimmung des Vertragspartners zur Gerichtsstandklausel ausgehen durfte


Schlagworte: Internationales Verfahrensrecht, Gerichtsstandsvereinbarung, Schriftformerfordernis, Bezugnahme auf AGB, leichte Abfragbarkeit der AGB im Internet
Gesetze:

Art 23 EuGVVO, Art 23 LGVÜ 2007

GZ 4 Ob 161/14a [1], 21.10.2014

 

Der Kläger macht geltend, ihm seien die AGB im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorgelegen, weshalb sie auch nicht Vertragsbestandteil geworden seien.

 

OGH: Nach der Rsp des EuGH und des OGH kann die Wahl des in einer Gerichtsstandklausel vereinbarten Gerichts nur anhand von Erwägungen geprüft werden, die iZm den Erfordernissen des Art 23 EuGVVO stehen. Erwägungen zu den Bezügen zwischen dem vereinbarten Gericht und dem streitigen Rechtsverhältnis, zur Angemessenheit der Klausel und zu dem am gewählten Gerichtsstand geltenden materiellen Haftungsrecht stehen nicht iZm diesen Erfordernissen. Gerichtsstandsvereinbarungen gem Art 23 EuGVVO sind daher autonom auszulegen.

 

Die in Art 23 EuGVVO (Art 17 LGVÜ) aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandklauseln sind, wie der EuGH wiederholt betont hat, angesichts der möglichen Folgen einer solchen Vereinbarung für die Stellung der Parteien im Prozess eng auszulegen. Nach der Zielsetzung der genannten Bestimmungen soll va gewährleistet sein, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden.

 

Das Erfordernis der Schriftlichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 23 EuGVVO (Art 17 LGVÜ) ist nach der Rsp des EuGH dann gewahrt, wenn die Parteien im Text ihres Vertrags auf ein Angebot Bezug genommen haben, das seinerseits ausdrücklich auf die eine Gerichtsstandklausel enthaltenden AGB hingewiesen hatte. Diese Beurteilung gilt jedoch nur für den Fall eines deutlichen Hinweises, dem eine Partei bei Anwendung der normalen Sorgfalt nachgehen kann, und nur, wenn feststeht, dass mit dem Angebot, auf das Bezug genommen worden ist, die die Gerichtsstandklausel enthaltenden AGB der anderen Partei tatsächlich zugegangen sind.

 

Auch der OGH vertritt in stRsp die Auffassung, dass zum Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach den genannten Bestimmungen die eine Gerichtsstandklausel enthaltenden AGB spätestens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den Vertragspartnern vorliegen müssen.

 

Die leichte Abfragbarkeit der AGB im Internet ändert an dieser Beurteilung nichts, wenn - wie hier - das sich auf seine AGB berufende Unternehmen nicht davon ausgehen durfte, dass der Vertragspartner die AGB durch Interneteinsicht noch vor Zustandekommen des Vertrags zur Kenntnis genommen hat, weil es unter diesen Umständen keinesfalls von einer tatsächlichen Zustimmung des Vertragspartners zur Gerichtsstandklausel ausgehen durfte.

 

Auch das überwiegende Schrifttum verlangt, dass die AGB dem anderen Teil im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorliegen müssen; eine bloße Hinweisklausel ohne Beifügung und Übersendung der AGB reicht nach dieser Auffassung für eine wirksame Vereinbarung nicht aus. Es besteht daher für den anderen Vertragspartner keine Pflicht, sich die AGB zu verschaffen.

 

Dem gegenüber halten Mankowski und Schlosser allein die Möglichkeit, dass sich der andere Vertragsteil den Text der AGB durch Rückfragen unschwer und prompt verschaffen kann, für ausreichend, um eine wirksame Vereinbarung anzunehmen.

 

Der Senat hält im Interesse der Rechtssicherheit und zur Gewährleistung des Einverständnisses der Parteien an der in der Rsp von EuGH und OGH sowie im überwiegenden Schrifttum vertretenen strengen Auffassung fest.

 

Im Anlassfall wurden dem Kläger die AGB der Beklagten weder mit Beilage ./B übermittelt noch sonst ausgehändigt; es gibt daher keine Anhaltspunkte dafür, dass sie dem Kläger vor Vertragsabschluss tatsächlich vorgelegen sind. Damit liegt keine wirksame Vereinbarung der AGB und damit der Gerichtsstandklausel vor. Der angefochtene Beschluss ist daher dahin abzuändern, dass die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit verworfen wird. Damit gelangt der Gerichtsstand des Erfüllungsortes für den Verkauf beweglicher Sachen gem Art 5 Z 1 lit b EuGVVO zur Anwendung.